Berichte von 12/2012

29.12.2012 – das h-s-Diagramm

Samstag, 29.12.2012

Die Arbeitswoche ist rum, und das Jahr mehr oder weniger auch. Ich habe heute nochmal fleissig gearbeitet. Chinesische Regel: am Montag ist frei, dafür wird am Samstag gearbeitet. Dazu gibt es für das ganze Jahr einen offiziellen Kalender der Regierung, er regelt, welche Wochentage an welchen Wochenenden kompensiert werden. Nächstes Jahr ist es besonders ungeschickt, da ein paarmal 2 Wochenenden hintereinander durchgearbeitet werden soll. Es ist nur schwer, sich dem zu entziehen, wenn man es als Firma anders macht, dann kann man weder mit Lieferanten, noch mit Kunden oder Banken an dem Tag arbeiten. Das ganze Land sollte sich mehr oder weniger daran halten.

Und draussen schneit es! Ich weiss wirklich nicht, warum ich alle meine warmen Sachen zu Hause gelassen habe, offensichtlich war für mich Shanghai mental ganzjährig ein Ort mit 40°C. Kurze Hosen habe ich in Massen, warme Socken gar keine. Dabei haben wir rund 3 Monate Winter mit Temperaturen von 0 bis 10°C. Und jetzt sogar 0,8 cm Pappschnee. Wäre schön, wenn ich jetzt meine Daunenjacke anziehen könnte.

Wir haben weisse Weihnachten, in München waren es vor ein paar Tagen 20°C (plus!), ätsch! Währenddessen verwandelt sich unser Haus in eine Tropfsteinhöhle. Auf der Innenseite unserer Fenster herrscht Aussentemperatur, im Moment -2°C, im Raum haben wir etwa 20°C. Das hängt immer vom Ort ab, im Bad sind es in Fensternähe 11°C, mitten im Raum dann schon 20°C. Und was passiert bei so einer Temperaturdifferenz? Es gibt einen Taupunkt, wer in Physik aufgepasst hat, kennt das h-s-Diagramm. Und der taupunkt liegt ziemlich genau auf der Innenseite der Fenster. Deshalb kondensiert die Luftfeuchtigkeit fröhlich an den Fensterrahmen aus, und das Wasser läuft in Strömen die Scheiben und Rahmen runter. Was für ein Anblick! Nein – ich übertreibe nicht. Am Glasdach unseres Inside Gardens sammelt sich das Wasser an den Querstreben, und tropft von da gezielt auf unseren Fussboden, die Tropfschmierung der Nockenwelle meines Heinkel Tourist funktioniert genauso! Das Sofa haben wir schon vom Fenster weggeschoben, um fiese W   asserflecken zu vermeiden. Die Tropfen fallen von oben auf die 2. Strebe, und dann spritzt es in den ganzen Raum. Jetzt bloss nicht in die Pfützen am Boden treten.

Mit ein paar Winterfotos verabschiede ich mich für dieses Jahr und wünsche allen meinen Lesern einen guten Rutsch. Wir planen, uns das Feuerwerk am Bund anzusehen, die Innenstadt in Bundnähe wird gesperrt, typisch China werden Monster-Abschussrampen installiert, mal sehen, ob wir uns durch die 5 Mio Schaulustige bis zum Fluss vorarbeiten können.

   

Happy New Year 2013!!

25.12.2012 – Arbeitstag

Samstag, 29.12.2012

Diese Woche arbeite ich ganz normal, einschliesslich Samstag, denn wir müssen den kommenden Montag als Brückentag vorarbeiten. Es ist gar nicht komisch, komisch ist es nur, wenn einer meiner chinesischen Kollegen mir freudestrahlend Frohe Weihnachten wünscht. Stimmt, da war was! Dennoch sind die Strassen leerer als sonst, es ist deutlich entspannter, und keiner mailt aus Deutschland, was für eine Ruhe.

24.12.2012

Samstag, 29.12.2012

Heute Nachmittag ist die Familie aus Deutschland wieder zurück (heim?) gekommen. Also sind alle Voraussetzungen für einen echten Heilig Abend erfüllt. Wie auch immer ist eine Unmenge an Geschenken zusammengekommen, obwohl Lufthansa in der Holzklasse nur 1 Gepäckstück von 20 kg zulässt (ist übrigens die einzige Airline, die so knauserig ist, ich glaube, wir fliegen lieber mit der Konkurrenz. Ist komisch, aber so langsam schälen sich deutliche Unterschiede zwischen den Gesellschaften heraus, und LH ist wirklich nicht die erste Wahl, nur unterboten von Air China: das gleiche nur in älter). Nur unsere Kinder waren der Meinung, das echte Weihnachtsgefühl stellt sich nicht ein. Aber Mühe haben wir uns gegeben.

Und unser Compound ist auch in voller Weihnachtsstimmtung:

23.12.2012 – 4. Advent

Samstag, 29.12.2012

Heute wird die 4. Kerze angezündet. Das ist gar nicht selbsverständlich, denn der klassische Expat ist an Weihnachten gar nicht da, er fliegt nämlich heim. Was schon sagt, dass er hier gar nicht daheim ist. Ich glaube, die meisten werden die Mischung aus Ferienwohnung, langer Urlaub (oder Dienstreise) nie wirklich los, deshalb werden alle wichtigen Ereignisse ‚nach Hause‘ verlegt. Und deshalb – hat der findige chinesische Geschäftsmann sich dem Bedarf angepasst und verkauft Adventskränze mit 2 oder 3 Kerzen, vier gibt es fast gar nicht. Und anscheinend sind 80% der deutschen Expats Schwaben, und die Shanghai Version findet reissenden Absatz. Wir haben einen selbst gebauten, mit 4 Kerzen! Zusammen mit unserem 2,40 m Plastikweihnachtsbaum samt Hochfrequenz LED sind wir voll authentisch.

22.12.2012 – Sie ist da!

Samstag, 22.12.2012

Na wer wohl? Fast pünktlich zu Weihnachten, die CJ750, mein Moped. Heute hat Johnson’s Sidecar geliefert! Zwar fehlt noch die Zulassung, die Spiegel, die Lichtmaschine lädt die Batterie nicht, und der Schalthebel passt nicht, aber sonst ist sie prima: Cha bu duo! Jetzt hoffe ich nur, dass ich genug vom Geld einbehalten habe, sonst kann ich mir das Nummernschild selber stricken.

Auf meine veröffentlichte Statistik habe ein paar nette Kommentare bekommen, auch von ein paar Unbekannten, die mitlesen. Ich wünsche allen meinen Lesern (Follower haben nur Politiker bei Twitter) ruhige Feiertage und Frohe Weihnachten! Selbst die Kassiererinnen bei Carrefour sind inzwischen in Weihnachtsstimmung:

21.12.2012 – einmal Baoding und zurück, und die Welt geht unter

Samstag, 22.12.2012

Heute geht die Welt unter! Nach welcher Zeitzone eigentlich, bei mir zuerst, in Europa, oder bei den Mayas? Bei mir ging sie schon in den ersten 3 Stunden unter. Um es vorwegzunehmen: 14 Stunden von Changchun nach Baoding. Normalerweise sind es 2 h Flug und etwa 2,5 Stunden Autofahrt. Diesmal waren es auch 2 h Flug, und 8,5 h Autofahrt, mit allen Rüstzeiten 14 h. In Peking hat es geschneit, nicht viel, aber eben Schnee. Und in China gibt es alles, ausser Winterreifen. Kurz nach dem Losfahren vom Flughafen haben mich meine Kollegen darauf hingewiesen, dass draussen Schnee liegt und es jetzt gefährlich ist. Ich hätte die 2 cm Schneematsch noch nicht als geschlossene Schneedecke interpretiert, aber andere Länder, andere Sitten. Im nächsten Stadium wurde unser Fahrer sichtlich nervös und fing an, die Story von der vermutlich gesperrten Autobahn zu erzählen. Zumindest soweit, wie es meine Kollegen übersetzt haben (so ist das, wenn man in einer Umgebung lebt, in man seine Mitmenschen nicht versteht). Wenn ich etwas nervend finde, dann ist das die Einschätzung ‚vermutlich‘. Im dritten Stadium ist er tatsächlich von der Autobahn runtergefahren, weshalb wir nach 2 h Fahrt wieder im Pekinger Stadtverkehr eingeklemmt waren. Und von da ab sind wir über Stadt- und Dorfstrassen mit Tempo 30 Richtung Baoding - gefahren? Gerollt? Irgendwie halt! Immer parallel zur Autobahn! Als wir sie zum 2 Mal überquert haben, und unter uns der Verkehr stetig dahinfloss, habe ich das Machtwort gesprochen, immerhin war es schon 9 Uhr abends und noch 120 km weit. Ich habe ihn nachdrücklich wieder auf die Autobahn geschickt, wer zahlt, schafft an. An der Mautstelle war die Aussage: die Autobahn ist vermutlich frei! Alles super, bis zum nächsten Stadium: Stau bis zum Stillstand, und zwar tatsächlich, nicht vermutlich. Vermutlich hätte ich vielleicht die Vermutung beachten sollen. Immerhin sind wir noch 2 km weiter als die anderen gekommen, weil wir konsequent hinter dem Krankenwagen mit Blaulicht hergefahren sind. Solange, bis auch der nicht mehr weitergekommen ist. Irgendwann gegen 10 Uhr schoben die ersten Fahrräder an uns vorbei, haben Suppe verkauft, und es hiess, die Polizei hat die Autobahn gesperrt und kontrolliert, vermutlich weil – keine Ahnung. Was jetzt? Mit intensivem Rangieren ein paar Laster umrundet, und wir stehen vor einer Lücke der Mittelleitplanke. Also nix wie durch und auf der anderen Seite wieder zurück. Das bei diesem Manöver Autos von rechts kommen, und die Strasse glatt ist, hindert nicht daran, ohne Beachtung der Vorfahrt im Schrittempo mitten auf die Fahrbahn zu fahren, bei 20 km/h den 3. Gang einzulegen und an der Klopfgrenze zu beschleunigen. Aua – bloss nicht nach hinten sehen, dann passiert nichts! Erinnert an das Kinderspiel: Augen schliessen und such‘ mich sagen. Auf der Gegenspur, also unserer alten Richtung, waren jetzt ganz viele dabei, irgendwie umzudrehen und zwischen Leitplanke und dritter Spur zurückzufahren, trotz entgegenkommender Polizei!? Warum muss ich 200 RMB für falsches Parken zahlen?

Wir also runter von der Autobahn und auf der Landstrasse in die eigentliche Richtung, das nächste und sozusagen das Endstadium. Denn jetzt war es wirklich glatt, und ich meine glatt. Es war so kalt, dass sich die Strasse in eine geschlossene, spiegelnde Eisbahn verwandelt hat. Und es kam, was kommen musste: nach wenigen Kilometern trafen Eispiste, Sommerreifen und eingeschränkte Fahrkünste zusammen, und wir haben eine saubere 720° Pirouette auf’s Parkett gezaubert. Immerhin vollständig, wir hätten direkt weiterfahren können, wenn unser Evel Knievel nicht vor Schreck den Motor abgewürgt hätte. Walter Röhrl wäre das nicht passiert. Ich weiss nicht, was kritischer war, die Drehung oder das Rumstehen danach: es waren viele LKW unterwegs, mit Sommerreifen, auf eisglatter Strasse, und Fahrern, deren Erfahrung vermutlich stark streut. Nun, es ist nichts passiert, wir haben weder eine Strassenlaterne, noch einen Betonkübel, noch einen LKW getroffen, aber ich denke jetzt über eine Gefahrenzulage nach.

Dennoch, die Antwort auf die Frage Mann oder Memme heisst ja bekanntlich immer Memme, also habe ich mich für den Vernunftvorschlag entschieden: wir suchen ein Hotel! Was für eine naive Idee. Erstens ist es am nächsten Morgen auch nicht besser, ausser mehr Verkehr, und zweitens: hier ist nichts, schon gar kein Hotel! Also sind wir weitergeschlichen und ich habe beschlossen zu schlafen, um mir das Grauen nicht weiter ansehen zu müssen. Nicht rausschauen hilft! Um 2 waren wir endlich in Baoding, ich wollte nur noch ins Bett. Wir sind immer wieder stehen geblieben, damit der Fahrer aussteigen und gegen den Schlaf kämpfen kann, das hat meinen Schlaf empfindlich gestört. Und was passiert dann? Statt direkt ins Hotel zu fahren, dirigiert mein Kollege uns zum KFC, er war der Meinung, wir müssten noch was essen! Ich schreib‘ nicht, was ich mir gedacht habe, es war auf jeden Fall das Stadium nach dem Endstadium. Um halb 3 war ich im Bett.

Beim Frühstück haben wir uns für die Rückreise mit dem Zug entschieden, weil vermutlich die Strasse gesperrt sein könnte. Eine Stunde später entschuldigt sich mein Kollege in aller Form, es gab nur noch Stehplatztickets, quasi wie beim Fussballspiel, nur billiger: 25 RMB für rund 200 km. Mir war es egal, Hauptsache ich komme heute noch heim. Mittags grüsste die deutsche Bahn: der Zug fährt wegen dem Wetter nicht. Und ich hatte jetzt viel Zeit, mein Flugzeug fliegt nämlich mindestens 1,5 h später, wenn überhaupt.

Also sind wir mit dem Auto nach Peking gefahren, die Strasse war OK, der Fahrstil aber so, dass ich nicht sagen kann, welche Fahrt nun die gefährlichere war, hin oder zurück. Seit ein paar Tagen steht in der Zeitung, dass sich niemand anschnallt, und es deswegen so viele Verletzte gibt. Wir auch nicht! Erstens gilt Anschnallen in China als unmännlich und ist ein Zeichen von schlechtem Fahrkönnen, zweitens sind die Gurte entweder kaputt, oder dreckig, oder beides. Schon erstaunlich, zu Hause gibt es Kindersitze, Gurte für jeden Meter, und hier, wo es nicht mal einen Notarzt, geschweige denn einen Krankenwagen gibt, wirft der Deutsche alle Angewohnheiten über Bord.

Im Flughafen durfte ich dann nicht in die Lounge, weil die Karte, die ich mir ersessen habe, immer noch die falsche Farbe hat, das Cafe war voll, und ich muss noch 3 Stunden absitzen, aus denen dann 4 geworden sind. Als der CA Pilot beim Aufsetzen dann auch noch zur Pirouette angesetzt hat, hat es mir endgültig gereicht. Er hat es in den Griff bekommen, sonst würden wir jetzt in der Zeitung stehen, so eine S-Kurve habe ich bei der Landung noch nie erlebt, welcome to Star Alliance! Und das am Freitag vor Weihnachten, während meine deutschen Kollegen drüber nachdenken, ob sie auf der Weihnachtsfeier noch einen Glühwein trinken. I am totally beghostert. Übrigens waren die Maya am pragmatischten, sie haben einfach einen neuen Kalender angefangen.

20.12.2012 – Chinas Norden – und ein schönes Datum

Samstag, 22.12.2012

Einmal Changchun, und ich weiss nicht, was schlimmer ist: Chongqing bei 10grdC, nichts ist geheizt, d.h. es hat überall 10 bis 15°C. Oder Changchun mit -28°C: ich habe extra warme Sachen eingepackt, T-shirt und kurze Hose wären passender gewesen. Draussen ist es kalt, trocken, sonnig, ich mag so ein Wetter, und drinnen hat es mehr als 25°C, die Temperatur ist nur durch Fenster öffnen zu beeinflussen. D.h. jedesmal beim Bewegen von A nach B gibt es einen Temperaturhub von 50°, und das soll gesund sein? Beim Aufenthalt in geschlossenen Räumen müsste ich jede Stunde Duschen gehen, so warm ist mir.

Komischerweise werden meine Kollegen nicht müde zu betonen, wie kalt es ist. Vermutlich wird deshalb alles in eine Sauna verwandelt. Es liegt sogar Schnee, allerdings nur etwa 5 cm, mehr schneit es dort nicht. Es schneit meist nur einmal am Anfang des Winters, und dann bleiben die 5 cm bis zum Frühjahr liegen. Es ist zu kalt und zu trocken für mehr Schnee.

Um die Frage zu beantworten, wann man in China zu Abend ist: normalerweise um 6 Uhr, und wenn ich meine Kollegen auf 7 Uhr hochhandle, dann machen sie das nur dem Laowai zuliebe mit.

Sonst habe ich wieder ein paar Zahlen gefunden: Das durchschnittliche, verfügbare pro Kopf Einkommen in 2011 waren 21.810 RMB in der Stadt und 6.977 RMB auf dem Land. Aber dieses Jahr ist es bereits um 9,8/12,3% gestiegen! Vermutlich (!) wurden deshalb in der ersten Woche nach Verkaufsstart bereits über 1 Mio iPhone5 an den Chinesen gebracht. Des Weiteren gibt es Untersuchungen zum Einfluss der PM2,5 Werte auf erhöhte Todesraten, in Shanghai, Guangzhou, Xi’an und Beijing sind angeblich deshalb bereits 8.572 (!) Leute gestorben, dazu kommt ein volkswirtschaftlicher Schaden 6,8 MrdRMB. Hmmm... Ich glaube, ich laufe nur noch bei einem AQI unter 150, das ist nur 200% über dem Grenzwert. Aber das waren bestimmt alles Kettenraucher, also gar nicht so schlimm. Oder ich glaube einfach meinen Kollegen, für sie sind die Werte die Ursache von Bauarbeiten und Sandstürmen. Dass ausser Verbrennungsprodukten kein Partikel Grössen von 2,5 µm erreicht, und Sand schon gar nicht, der ist mindestens 60 µm gross, würden sie wahrscheinlich als deutsche Besserwisserei betrachten. Wer kann schon so genau wissen, wie gross ein Sandkorn ist?

16.12.2012 – 3. Advent

Sonntag, 16.12.2012

Heute ist der 3. Advent, die Familie ist am Freitag heimgeflogen, also zünde ich alleine die dritte Kerze an. Von Weihnachtsstimmung kann ich nicht wirklich reden, es ist eher so eine komische End-Stimmung. Die Laowei haben am letzten Schultag alle Flugzeuge nach Frankfurt geentert und sind weg, was heisst, so richtig leben sie nicht hier, denn sie fliegen alle ‚heim‘. Das ist hier gefühlt eher ein Abenteuer mit Ausnahmezustand. Und die wenigen, die dageblieben sind, muss man mit der Lupe suchen.

In der Stadt bestimmen die Nikolausmützen und Weihnachtslieder die Szene, aber es überzeugt nicht wirklich. Ich habe im Internet gesucht, wo man einen Christbaum kaufen kann: gibt’s im Blumenmarkt im Topf, und alle sehen ziemlich dürftig aus. Einer wollte unbedingt einen Baum ohne Topf haben, der Tip war: kauf dir einen Baum und eine Säge, nach 15 s hast du einen Baum ohne Topf. Wir haben schon so ein Ding hinter dem Haus stehen. Und eigentlich wollte ich einen besseren, aber das kann ich mir wohl schenken.

Übrigens Stadt: heute habe ich beim Einparken einen dieser Roller umgefahren (geparkt). Schreck! Ich habe ihn einfach wieder hingestellt, und schon auf die Rechnung gewartet, quasi wirtschaftlicher Totalschaden. Aber der Typ war so verdutzt, dass er kein Wort rausgebracht hat. Lag‘ vielleicht daran, dass er einen Kopf kleiner war. Glück gehabt!

Das Wetter ist jetzt maximal mies: 10°C, Regen, grau, AQI von 160. Deshalb habe ich mir zu Hause erst mal einen Glühwein gemacht, geht leider nur literweise: 1 Flasche chinesischen Wein, O-Saft und Glühfix, s.o. Niemand kann einen Liter von dem Zeug trinken, also kann ich mir die nächsten Abende die Doggy Cup aufwärmen.

Was gibt es sonst? In 2012 werden in Shanghai 220.000 Kinder auf die Welt kommen, der Durchschnittspreis für’s Nummernschild ist auf 69.346 RMB gestiegen, das sind 8.436 €, es werden nur noch 9.300 pro Monat verlost, und seitdem sie erst nach drei Jahren weiterverkauft werden dürfen, ist der Ansturm angeblich auf 18.244 zurückgegangen. Obwohl Chinesen dafür bestimmt auch eine Lösung haben. In Peking hat eine Frau 7-mal hintereinander ein Nummernschild ersteigert. Bis rausgekommen ist, dass sie im Verkehrsministerium arbeitet. Erst war die offizielle Version, dass die 7 Gewinner nur gleich heissen, jetzt hat Weibo wieder mal dafür gesorgt, dass sie sich nach was neuem umschauen muss, samt Onkel und Sohn. Das ist derzeit das grosse Thema: Offizielle per Weibo, das chinesische Twitter, der Bestechung, Vielweiberei, Vorteilsnahme, Amstmissbrauch und dergleichen zu überführen. Während im Frühjahr die Lebensmittelskandale dran waren, sind es jetzt die korrupten Beamten. Ach ja, ab 10 Uhr abends ist es jetzt verboten, draussen öffentlich zu singen, die Anwohner fühlen sich vom Lärm belästigt?!

Und, last but not least: angeblich ist mein Moped fertig, ich komme leider erst nächstes Wochenende dazu, es mir anzusehen, vielleicht klappt’s ja zu Weihnachten. Vorher fliege ich nach Changchun (-30°C).

14.12.2012 – Paulaner

Sonntag, 16.12.2012

Keine Schleichwerbung, ich habe mein chinesisches Team zum Weihnachtsessen eingeladen, und zwar ins Paulaner! Nach all dem chinesischen Essen haben der liebe Gott und ich beschlossen, dass ein Kontrastprogramm her muss: Schweinsbraten, Schweinshaxe und Weissbier! Sogar unsere Assistentin hat tapfer mitgemacht. Die Speisekarte ist 3-sprachig, am Anfang dachte ich noch ich muss übersetzen. Immerhin konnte ich ein paar Geschichten zum Weissbier erzählen. Wie immer, um 9 wurden die Augen klein, und dann gehen alle heim. Die Idee, noch woanders ein Bier zu trinken, ist nicht chinesisch. Einerseits verständlich, sie kommen sonst nur noch mit dem Taxi heim, und das ist teuerer als Bus und Metro, andererseits ist es einfach nicht ihre Art. Selbst mein Angebot, dass mein Fahrer sie heimfährt, hat nicht überzeugt (Glück für den Fahrer, er macht nicht gerne Überstunden).

15.12.2012 – Hier stehe ich -

Sonntag, 16.12.2012

ich kann oder will nicht anders. Heute früh an der Ausfahrt vom Compound: ein nagelneuer 5er steht quer davor, am Steuer wie so oft eine ca. 25-jährige. Eigentlich nichts Besonderes, bis auf die Tatsache, dass sie da für sich gut steht, und ich nicht rauskomme. Und weder nah hinfahren, noch hupen, noch Lichthupe veranlassen sie zu irgendeiner Reaktion. Sie steht da und wartet schliesslich auf jemanden, und der ist noch nicht da. Das ist eine der Situationen, die mir tierisch auf die Nerven gehen. Wer nicht zu meiner Familie, Firma, Gruppe, also meiner dan wei gehört, der ist mir wurscht. Das gilt für den Strassenverkehr, die Metro, im Prinzip das ganze öffentliche Leben. Letzte Woche ist in Peking ein Kind im Krankenwagen nicht weit vom Krankenhaus gestorben, weil der Krankenwagen nicht durch den Verkehr kam. Auf der Autobahn das gleiche: Wenn schon alle im Stau stehen und von hinten der Krankenwagen durch will, spricht nichts dagegen, ihm auch noch in den Weg zu fahren und noch mehr zu blockieren. Für Europäer nicht nachzuvollziehen. Mit der Einstellung kann man auf der Autobahn rückwärts fahren, auf der 6 spurigen Strasse wenden, einfach stehen bleiben und telefonieren, oder diagonal über die Kreuzung fahren. Oder eben vor einer Ausfahrt stehen. Gerade als ich aussteigen wollte, kam dann der Typ dazu, um in Ruhe einzusteigen, und dann erst ist sie gemächlich losgefahren. Ich ertappe mich bei dem unbändigen Wunsch, ihnen einfach ins Auto zu fahren. Ich weiss, das ist nicht gerade zivilisiert, aber die Szenen im Strassenverkehr provozieren mich: vielleicht fangen sie an nachzudenken, wenn die Chaosmanöver mit verbeultem Blech und ein paar blauen Flecken enden, denn das gerade erstandene Blech ist schon ein wenig heilig (ausser bei denen, die sich danach einfach einen neuen Cayenne ausfassen). Es ist für eine Langnase unglaublich, wie wenig die Konsequenzen des Handelns für andere in Betracht gezogen werden. Andererseits: 1:23 Millionen, ich glaube, ich lasse es lieber. Aber es reizt mich schon.

12.12.2012 – 32 Millionen

Sonntag, 16.12.2012

Das Grau hat einen Namen: Chongqing! Hier leben 32 Millionen Menschen (offiziell), die grösste Stadt Chinas. Wer hat schon mal von ihr gehört? Und heute ist der 12.12.12, mindestens 32 Millionen Chinesen wollen heute heiraten, aber nicht alle aus Chongqing. Die Stadt liegt in einer Hügelgegend, und jeder Hügel besteht aus einer Plattenbauburg. Soweit ich es sehen konnte, die Sichtweite beträgt etwa 500 m, vermutlich haben die Einwohner vor 15 Jahren die Sonne das letzte Mal gesehen. Ihr merkt schon, nicht mein Lieblingsort. Die Stadt erstickt im Verkehr, und in den Abgasen der Kraftwerke. Mehrere ausländische OEM haben dort Joint Ventures, wie überreden sie nur ihre Expats, dorthin zu gehen? Strafversetzt? Bei allem was recht ist, ich fand‘s grauenhaft. Obwohl sie sich Mühe geben, die flotten Wasserspiele lenken ein wenig von den Häusern drumherum ab.

Mittags waren wir bei 13°C essen. Draussen war es 5°C, die Restauranttüren waren weit offen, da wird so ein Anzüglein schnell frisch. Mein chinesischer Kollege war vorbereitet: 3 Schichten unter dem Anzug! Ich hatte nicht mal eine. Unserer Bitte, doch die Tür zu zumachen und zu heizen, wurde cha bu duo entsprochen: Klimaanlage auf Heizen, Tür bleibt auf! Denn, wenn die Tür zu ist, kommen vielleicht nicht so viele Gäste. Ich würde eher ein Restaurant meiden, das im Winter die Tür nicht schliesst, aber das sind die feinen Unterschiede. Abends war‘s beim Essen zwar warm, dafür kann ich mich nicht an Essen mit Kettenrauchern und permanentem bai jiu Trinken gewöhnen. Ich glaube, chinesisch Essen ist doch nicht so gesund. So wie das dauernde im Flugzeug Sitzen und Flugzeugfood Essen vermutlich nur bedingt den Ansprüchen an einen bewussten Lebenswandel genügt.

Ähnlich die Gespräche vor Ort: unbeheizte Räume, Gesprächspartner in dicken Pullovern, das ist so ziemlich das Klischee, das ich vorher in Büchern gefunden habe, hier live! Es war eine Erfahrung, macht aber nichts, dass sie nach einem Tag vorbei war.

09.12.2012 – Glühwein am 2. Advent

Sonntag, 16.12.2012

Wer uns kennt, kennt auch unser Sekttrinken am 24.12. vormittags. Das hat eine lange Tradition, die wir in China fortsetzen wollten. Gesagt, getan! Da Heiligabend keiner da ist, zumindest keine Langnase, und auch die eigene Familie nicht, haben wir den Event auf den 2. Advent vorverlegt, und den Sekt durch Glühwein ersetzt: Mehrere Flaschen Chen Yu Rotwein, O-Saft, selbst importiertes Glühfix, viel Zucker, fertig! Es waren über 40 Leute da, jeder hat was zum Essen mitgebracht, entweder selbst gemacht, selbst gekauft oder selbst importiert, und es hat viel Spass gemacht. Unsere chinesischen Bekannten fanden es natürlich noch spannender als die anderen. Und unsere Tradition nicht unterbrochen.

Ein Kompliment muss ich an dieser Stelle meinen Lesern machen! Ich kann mir eine Statistik ansehen, und es sind immer noch regelmässig etwa 5 bis 15, die mal reinschauen. Angebot und Nachfrage: solange Ihr fleissig weiterlest, schreib ich noch. Wenn es langweilig wird, höre ich auf.

10.12.2012 – Carrera Bahn oder gao jia

Sonntag, 16.12.2012

Wie jeder weiss, in Shanghai wird viel gebaut. Phänomenal ist der Strassenbau, in der ersten Woche passiert irgendwas am Boden, dann stehen erst ein paar, dann ganz viele Stützen rum, und schwups, liegt die Fahrbahn drauf, die Hochstrasse ist fertig. Sollte sie eine Autobahn überqueren, das kommt schon mal vor, wird in der Zeit nichts drunter abgesperrt, man kann ja einfach um die Laster rumfahren. Schleierhaft sind mir die Planungsgrundlagen, sie entziehen sich völlig meinem Verständnis: da sich schon mal 3 bis 4 Strassen kreuzen, muss man natürlich ein bisschen höher bauen, also Durchfahrtshöher mindestens 4 m, würde der Europäer sagen, es sind meist 10 m. Es erinnert mich an den Bau meiner Carrerabahn, wir haben auch die (Plastik)Stützen zusammengesteckt und dann dreidimensional munter drauf los gebaut. Allerdings waren bei uns die Plastikstützen immer knapp, China ist das Land mit einer unerschöpflichen Quelle an Betonstützen. Gibt es mehr Menschen oder mehr Betonstützen im Land: 1,35 Milliarden! Ich habe jetzt jeden Morgen das Vergnügen, zumindest den Hinweg auf einer ganz neuen Hochstrasse zu fahren. Ist zwar weiter, aber schneller, ich muss nicht mehr über die Strasse, die hin und wieder vom Markt belegt wird. Zurück geht es leider nicht, da es keine Abfahrt gibt. Die Aussicht ist irre, wir fahren in geschätzt 40 m Höhe, mit neuer Mautstation dort oben, eine kleine Parallelwelt.

07.12.2012 – Changjian oder die unendliche Geschichte

Samstag, 08.12.2012

Mein Moped ist eigentlich fertig, wie so oft eigentlich. Der Motor läuft, alle Teile sind dran, es könnte losgehen. Es fehlt nur noch das Nummernschild und das Leder für die Sitze. Und da habe ich mir nun ein bestimmtes Rot eingebildet. Nachdem das Beige, das ich haben wollte, nun schon cha bu duo getroffen ist, wollte ich weder ein Knatschrot noch ein Braun haben. Ich weiss, klingt jetzt merkwürdig, aber in China ist doch alles möglich, also warum nicht ein vernünftiges Rot? Und jetzt ist wieder der Klassiker eingetreten, Johnson‘s Sidecar meldet sich nicht. Er hat 3 Handynummern, wovon immer 2 nicht gültig sind, allerdings ist immer ein anderes Paar nicht gültig, und ich weiss weder, nach welchen Regeln noch welche gerade aktuell sind. Also hilft wieder nur warten, langsam wird es lästig.

Und hier das Foto des Tages: Wenn man zwei Kinder hat, braucht man auch einen 2-Sitzer auf dem Weg zur Schule!

05.12.2012 – Singapur

Samstag, 08.12.2012

Fast wäre ich nicht geflogen, da es meinem Magen in der Früh von gestern grottenschlecht ging - Aua. Aber nur die harten kommen in den Garten. Zum ersten Mal in Singapur, es ist nur 5 Flugstunden von Shanghai weg, wenn ich die 2 Stunden nicht mitzähle, die wir in Pudong im Flugzeug wegen ‚special reasons‘ abgesessen haben (China Eastern fliegt verlässlich unpünktlich). Der erste Eindruck aus Shanghai kommend: ich war geblendet vom vielen grün. Sonst: es ist innen kalt und draussen warm: 30°C, wie im botanischen Garten der Wilhelma, warm und feucht. Das Wetter ist ganzjährig konstant, die Sonne geht jeden morgen um 7 Uhr auf und abends um 7 Uhr unter, ausser Badelatschen und kurzen Hosen braucht man nix.

Wenn Toronto die saubere Variante von New York ist, dann ist Singapur die blitzblanke Ausgabe von Shanghai. Es ist schon schick, aber auch ein bisschen langweilig. Überall findet die Vorbereitung auf Weihnachten statt, in der Zeitung werden die Supersonderangebote der Shopping Malls angepriesen, in den Strassen hängt die volle Weihnachtsbeleuchtung – bei 30°C! Ich bin mässig begeistert, denn ausser Essen und Shoppen geht vermutlich dort nicht viel. Vermutlich noch Wassersport, könnte aber teuer sein. Für ein paar Stunden ist es eine nette Abwechslung zum grauen, kalten Shanghai, Sonne, saubere Luft und blauen Himmel zu erleben.

03.12.2012 – Montag beim Konsul

Samstag, 08.12.2012

Die Fahrt in die Arbeit ist jeden Morgen ein Erlebnis, manchmal lustig, manchmal ärgerlich, und manchmal ist es einfach knapp am Desaster. Was es so zu sehen gibt: Foto of the day today von heute früh, es spricht nichts dagegen, während der Fahrt in die Schule zu frühstücken, wenn man nach dem Wochenende zu spät dran ist:

Am Abend waren wir im deutschen Konsulat bei einer Literaturlesung, yes, wir machen in Kultur! Wir kennen quasi den Vizekonsul persönlich, sowas gibt es auch nur in Shanghai. Die Wahrheit ist, auch Konsulatsmitarbeiter haben Kinder, die in die Schule gehen. Die Autoren sind ein älteres chinesisch-deutsches Paar, er ist Chinese, die über China schreiben. Ein Thema war Demokratie und freies Land, wollen wir wirklich, dass China eine Demokratie wird, am besten nach amerikanischem Vorbild? Seine Antwort: dann machen sich sofort 200 Mio Einwohner auf ins Ausland, davon 100 Mio nach Europa, geschätzt die Hälfte nach Deutschland. Kann die Welt das wollen? Wäre eine interessante Frage an deutsche Politiker.

Übrigens habe ich mir mit dem Nikolausessen dort, Bratapfel, Stollen und Dornfelder, zum ersten Mal in China so richtig den Magen verdorben.

02.12.2012 – Shanghai Halb-Marathon

Samstag, 08.12.2012

Heute ist Shanghai Marathon. Der PM2,5 Wert ist auf 97 gesunken, das ist zwar doppelt so viel wie der Grenzwert für gesund, aber immerhin nur halb so viel wie die Woche davor! Wie alles in China, es fängt früh an. Offiziell um 7:30 Uhr, allerdings nur für die, die das Kleingedruckte nicht lesen. Dort steht nämlich 7 Uhr! D.h. Aufstehen am Sonntag um 4:40, mit dem Auto zur Metro in Changning, dort um 5:47 die erste Metro nehmen und mit 30.000 anderen um 6:15 in East Nanjing Road aussteigen. Warum? Um bei Platschregen und kaltem Wind den richtigen der 60 Busse zu finden, in dem ich mein Gepäck deponieren kann, wenn ich mich endlich überwunden habe, alles ausser den Laufklamotten auszuziehen. Drängeln hat eine jahrtausendalte Tradition in China. Jeder will der erste an seinem Bus sein, und das 30.000 Mal in 2 engen Strassen, in denen die 60 Busse parken. Ich weiss nicht, wie viele Regenschirme ich ins Gesicht und in den Nacken bekommen habe, und wie viele mir in den Bauch gerannt sind. Denn ohne High Heels sind die Mädels, und es waren erstaunlich viele, auf einmal ziemlich klein. Nein, es ist kein Grundschüler, der da neben mir herläuft, sie ist mindestens 25! Das gleiche dann beim Start: jeder will ganz vorne an der Linie stehen, und wenn erst 10 Menschen auf einem Quadratmeter stehen, warum sollten nicht noch 3 Platz haben. Es ist ein umgekehrtes Kanban-Prinzip: Wenn voll, dann stellen sich noch ein paar dazu, lino: last in, no one out. Dafür steigt bei so viel Nähe die Temperatur. Die ersten 10 km des Laufs führen durch die echte Innenstadt, der 2. Teil weiter draussen, aber auch nett. Viele Zuschauer am Streckenrand, vor allem Gruppen älterer Damen, geschätzt über 60, die in Einheitskleidung mit Fahnen, Trommeln und sonstigem die Läufer anfeuern. Manche völlig begeistert und relaxt, andere eher mit militärischem Gesichtsausdruck, vermutlich so, wie sie es vor 50 Jahren gelernt haben. Unter den Teilnehmern waren höchstens 5.000 Weiguoren, der Rest Chinesen, gewonnen hat wie immer ein Kenianer mit 2h 9 min. Ich bin nur den halben gelaufen, gemäss meiner generalstabsmässigen Vorbereitung in 1:55, dabei sein ist alles (jeder braucht eine Ausrede). Beeindruckt war ich von der hohen Anzahl an Mädels, die ziemlich flott am Teiler nach 18 km Richtung Marathon abgebogen sind, Laufen ist nicht nur eine Westler-Disziplin.

01.12.2012 – Măi miànbāo

Samstag, 08.12.2012

Jeden Samstag fahre ich meine Tochter in den nächsten Compound zum Ballettunterricht, und jedes Mal das gleiche Spiel: der Wächter am Eingang fragt: ji hao? zu welcher Hausnummer möchte ich. Da ich in kein Haus will, antworte ich wahrheitsgemäss: ins Clubhaus (manchmal rufen sie nämlich im jeweiligen Haus an und fragen nach), was er nicht versteht, bis er mir frustriert die Schranke so aufmacht. Das dauert immer ein bisschen, wenn es nicht klappt, einfach mit der Expatschleuder und starrem Blick auf die Schranke zuzufahren und das Ganze zu umgehen. Jetzt hat mir eine Chinesin die bessere Variante verraten: es gibt im Compound einen französischen Bäcker, einfach sagen: ich will Brot kaufen – mai mianbao, schon hellt sich des Wächters Gesicht auf, die Welt ist in Ordnung, und er macht bereitwillig die Schranke auf. Ab jetzt fahre ich jeden Samstag Brot kaufen!

Nachmittags hatte ich die deutsche Heimwerkeridee, die Terrassentür abzudichten. Womit, logisch: Silikon. Also zum Baumarkt, transparentes (= neutral) Silikon gekauft, das sich dann als weiss entpuppt. In Deutschland hätte ich es mir verkniffen, ein grünes Fenster mit weissem Silikon einzuschmieren, hier liegt die Hemmschwelle zu niedrig: Ich habe es einfach gemacht. Es sieht fürchterlich aus, ist aber dicht. Vielleicht muss ich einen Teil nochmal abkratzen, damit wenigstens der Schein gewahrt ist. Unser Haus ist inzwischen fast perfekt. Die Heizung läuft fehlerfrei und heizt den Fussboden so auf, dass man besser Hausschuhe trägt, der Wasserhahn ist neu, tropft wackelt halt ein wenig, der Bayer würde den Vergleich mit dem Kuhschwanz zitieren, aber er ist neu, also alles cha bu duo fertig.

28.11.2012 – Die Tür

Samstag, 08.12.2012

Jetzt kann ich es erzählen, nachdem es repariert ist. Durch Zufall haben wir entdeckt, dass wir zwar die mittleren beiden Flügel unserer Terrassentür normal verriegeln können, die äusseren beiden Flügel lassen sich jedoch von aussen aufschieben. Ich weiss gar nicht, wie lange das schon so ist. Also kommen 4 Mann, einer arbeitet, 3 schauen fachmännisch zu, und präsentieren mir stolz das Ergebnis: Rollen unter den beiden äusseren Flügeln: jetzt kann man sie mit einem Finger noch leichter aufschieben. Meine Reaktion bu hao erzeugt allgemeine Bestürzung, wo es jetzt doch so superleicht geht. Mein Wunsch, dass ich es zu und nicht auf haben möchte, erzeugt erst Unverständnis, dann ein Aha, und dann sind alle weg. Immerhin weiss ich jetzt, dass suŏ Schloss heisst. Sie gehen jetzt ein Schloss kaufen, măi suŏ, aber bis wann? Abends habe ich dem Vermieter erklärt, dass ich jetzt ein wenig beunruhigt bin, wenn irgendwelche 4 Mann wissen, dass man bei uns mit dem kleinen Finger einsteigen kann, ich glaube ich bin ein wenig übervorsichtig. Er ist sofort gekommen und hat begonnen, mit Hölzern und sonstigem Zeug die Türen von innen zu verkeilen. Es hat zwar alles nichts gebracht, aber es verdient eine Achtungsnote. Am Schluss habe ich es uns erspart, vorzuführen, dass ich die Tür immer noch aufschieben kann, und habe es gut sein lassen. Am nächsten Tag waren tatsächlich die Schlösser eingebaut, bestehend aus einem hochwertigen Blechpressriegel von 1 mm, der in ein etwas gleichwertiges Gegenstück eingreift. Leider mit einem Spalt zwischen Tür und Rahmen, durch den nicht nur der Wind pfeift, sondern auch jeder leicht von aussen den Riegel entriegeln kann. Cha bu duo! An sowas stört sich auch nur ein Deutscher. Diesmal hat es 3 Anläufe gedauert, bis unser Vermieter mir folgen konnte, wo mein Problem ist, das Schloss ist doch eingebaut! Am Schluss haben sie es verschraubt, beim nächsten Mal mache ich es selber. Das ich bei 4.000 € im Monat die Erwartungshaltung habe, jemand anders soll das lösen, zeigt nur, dass ich ein China Greenhorn bin. Dabei ist mir das deutsche Theater um Häusersanierung und Energieklassen eingefallen: Ein Land von 80 Mio macht sich Gedanken, den Energieverbrauch seiner Häuser zu reduzieren, das ist grob die Einwohnerzahl der 5 grössten chinesischen Städte wie Shanghai und Chongqing (32 Mio) zusammen. Hier haben wir 4 Monate 5°C und heizen auf 20°C, im Sommer kühlen wir 3 Monate von 38°C auf 23°C. D.h. 7 Monate erzeugt ein Land von 1.300 Mio Einwohnern mit Heizen oder Kühlen eine Temperaturdifferenz von 15°C, und das ohne Isolation. Die Fenster sind undicht, die Wände ungedämmter Beton (Bilder können wir nur mit einer Hilti aufhängen). Sämtliche Wärme oder Kälte wird sofort an die Umgebung abgegeben, im Haus ist das Klima nur durch kontinuierliches Gegenhalten möglich. Ist es nun gut oder schlecht, dass von den 1,3 Mrd rund 1 Mrd keine Heizung und Klimaanlage haben? Unser Haus hat einen mit Glas überdachten Innenhof, deswegen heisst es Garden inside Villa. Durch die Temperaturdifferenz nachts kondensiert die Luftfeuchtigkeit an dem Glasdach und verwandelt den Raum jede Nacht in eine Tropfsteinhöhle; macht aber nichts, denn tagsüber hört das ja auf.