Berichte von 06/2013

16.06.2013 – Das erste Mal

Mittwoch, 19.06.2013

Wer ein Moped hat, will es sich nicht nur liefern lassen, sondern selber fahren. Auf geht’s. Aus den 19°C vor 4 Tagen sind 35°C geworden, aber was soll’s. Weit bin ich nicht gekommen: nach kurzer Zeit war die Leistung weg, der linke Zylinder klopfte fröhlich vor sich hin, und der rechte Zylinder alleine schafft es nicht, das Trum vorwärts zu bewegen. Da ich ja weiss, dass sie zum Überhitzen neigen, habe ich mich erst nicht gewundert, aber wenn ich mit alle 200 m Stehenbleiben und auf Abkühlen warten ins Büro fahre, kann das ein Tagesausflug werden. Wir sind zu zweit, Besuch aus Stuttgart im Beiwagen, etwa 5 km hin, und dann in den genannten Etappen wieder zurück gefahren. Bis ich mich beim Warten an der Strasse an die Basics erinnert habe: der Benzinhahn! Offensichtlich lässt er in der Normalposition nicht genug Sprit durch, das bedeutet Abmagern und Klopfen. Ich kann es dem Moped nicht mal verübeln, mein Heinkel macht das auch so. Also das Ding auf Reserve gestellt, und schon waren wir wieder zu Hause. Ich musste gar nicht den ADAC rufen.

Das Fahren muss ich noch üben, Gespann fahren habe ich vorher noch nie gemacht, mangels Geradeauslauf hilft nur ein heftiges Drücken am schwergängigen Lenker, das kräftigt die Schultermuskulatur. Und die Kleinigkeiten wie den losen Anlasser, den abgefallenen Spiegel und die vermutlich lose Antriebswelle bekomme ich auch noch in den Griff.

15.06.2013 – Home Delivery

Mittwoch, 19.06.2013

Geglaubt hat’s keiner mehr, es war eher der Anlass für Witze auf meine Kosten, aber heute ist’s tatsächlich passiert: Die CJ ist da! Körperlich vorhanden vor der Garage, keine Fata Morgana, man kann sie anfassen und sich draufsetzen. Kaum ruft man ein paar Wochen täglich an und nervt, schon klappt’s, warum nicht gleich so?

Ich bin erst mal zur technischen Abnahme hingefahren, quasi ingenieurmässig. Und wie immer: alles, was vor Monaten schon nicht funktioniert hat, funktioniert jetzt auch nicht. Darauf ist in China einfach Verlass. Die Batterie wird nicht geladen, sie ist eh völlig platt, die Anzeige für das Licht funktioniert nicht (ich weiss, man fährt nicht mit Licht, bei Nacht ist es unnötig, und bei Tag absurd), und wo sind die Planen? Stimmt, war vereinbart, aber wollte ich das wirklich? Ich könnte eine gebrauchte haben, ach, will nicht nicht, auch gut, kommt fast sofort. Ich habe dann einen Teil bezahlt, sie haben noch etwas rumgeschraubt, und dann haben sie sie mir heimgefahren. Vorher wollte ich noch Öl im Motor haben, wurde mir zwar gewährt, aber widerwillig, was Ausländer immer für Probleme haben.

Jetzt bin ich also stolzer CJ750 Besitzer, mit Zulassung und allem Zip und Zap.

13.06.2013 – Das Schild

Mittwoch, 19.06.2013

Komisch, kaum ruft man täglich beim Mopedhändler seines Vertrauens, oder auch der chinesischen Variante ‚des Freundlichen‘ an, schon ist das Schild da. Warum habe ich die Prozedur nicht schon letztes Jahr im November begonnen? Ich muss hier noch viel lernen! Ich glaub ja inzwischen gar nix mehr, und so richtig glaube ich es noch nicht, aber er hat mir per What’s App ein Bild meiner Papiere geschickt. Also irgendwas muss es geben. Daher weiss ich jetzt auch, dass das Moped offiziell 350 kg wiegt, gar nicht so schlecht, nicht schwerer als eine K1600LT. Es sieht fast so aus, als neigt sich die Story dem Ende zu, fast schon schade, dann gibt’s gar nix mehr zu erzählen. Aber dennoch, erstmal abwarten.

10.06.2013 – Schokoladencreme übersteigt 10 € Marke

Mittwoch, 19.06.2013

Wir haben Besuch, inzwischen der vierte. Wir waren ja gespannt, wer alles kommt, die Quote ist ganz gut. Jetzt sind unsere Freunde aus Stuttgart da. Zwar durfte ich am Wochenende wieder arbeiten, die typisch chinesische Regelung, dafür waren danach 3 Tage frei. Und die haben wir genutzt, ein wenig Sightseeing zu betreiben. Für mich ist das die Chance, wieder mal in die Stadt zu kommen. Ich war gefühlt seit drei Monaten nicht mehr dort. Ausser Büro, Haus, Carrefour und Flughafen sehe ich von Shanghai im Alltag nicht viel, die Autobahn nicht zu vergessen. Aber die sehe ich meist auch nicht, ich konzentriere mich auf mein Laptop, dann muss ich mir das Grauen nicht ansehen.

Also sind wir durch die Hinterhöfe, einheimische Wohnviertel usw. gezogen, zugegebenermassen war ich an vielen der Orte noch nicht. Und glaubt es oder nicht, in Shanghai gibt es Unertl! Zumindest die Werbung. Leider konnten wir das Programm nicht ganz verwirklichen: wir hatten warmes Wetter und eine schicke Skyline versprochen, es war saukalt, bei 19°C braucht man sogar einen Pullover, und die Sichtweite war etwa 400 m geradeaus, aber nur 30 m in die Höhe. Beim Abendessen am Bund (House of Roosevelt, sehr zu empfehlen, schickes westliches Essen zu westlichen Preisen kombiniert mit chinesischer Bedienung, aber tolle Aussicht – manchmal) war zwar die andere Seite des Flusses sichtbar, aber nur die erste Kugel des Pearl Towers. Oder andersrum, von oben war der Blick wohl ähnlich einem Landeanflug bei Regen. Warum auch immer ist innerhalb von wenigen Tagen die Luft fürchterlich schlecht geworden, und Shanghai liegt unter eine Dunstglocke.

Dafür waren wir noch beim Pole Dancing, teure Drinks mit Eintritt schlecht gemixt, und sind ein bisschen rumspaziert, die Roof Bar im Hyatt on the Bund war wegen Regen wieder mal geschlossen, man kann nicht alles haben. Und wir waren wir beim City Shop, da gibt es ja bekanntlich alles, und siehe da: wer sich Gedanken über den Rohölpreis macht, der soll sich erst mal den Spotmarkt für Nutella ansehen! 78 RMB ist ein Sonderangebot, hier werden 92 davon abgerufen, das sind schlappe 11 €. Vielleicht eine neue Anlageoption.

08.07.2013 – neue Filter braucht das Land

Mittwoch, 19.06.2013

Jeder braucht mal Filterwechsel, so offensichtlich auch die Great Firewall. Und die neuen sind viel besser als die alten! Genaugenommen sind wir abgeschnitten. Alle klassischen Mailzugänge sind tot, t-online, gmx etc sind nicht mehr erreichbar, manche nicht über POP3, manche nicht übers Internet, und manche überhaupt nicht. Die deutsche Googleseite bricht beim ersten Buchstaben schon ab, selbst die Homepage der deutschen Schule ist nicht mehr aufrufbar. Ob das mit den aktuellen politischen Ereignissen, ein Amerikaner sitzt in Hongkong, oder einfach mit dem stabdardnässigen Update zusammenhängt? Keiner weiss es, aber es geht nix mehr. Die deutsche Schule hat inzwischen per Mail einen Link zu einem Umgehungsserver verteilt, sonst hilft nur noch Tunnel bauen, möchte man seine Mails lesen. Wie lange das so geht? Abwarten und grünen Tee trinken, und so lange keine Tagesschau.

07.07.2013 – Bildergeschichte

Mittwoch, 19.06.2013

Es sind immer die kleinen Dinge, die Freude machen. Wir haben eine Ringstrasse, also einmal rum, etwa 150 x 100 m im Viereck. Der erste Clou war, eines Tages sass ein Männchen mit Farbeimer am Boden und die pnselt die Randsteine grau!? Eigentlich waren sie vorher schon grau, aber vielleicht nicht ganz so schön grau. Es macht mich an Asterix erinnert, heute eine halbe Platte, morgen eine halbe Platte (wer kann mir den Band sagen?). Nach etwas über einer Woche war der Künstler mit dem Pinsel fertig, die Randsteine alle schön grau. Dass in Kürze einige der Laster hässliche schwarze Streifen hinterlassen haben, stört ein wenig die Ästhetik, aber in China geht es nicht darum, ob die Steine nun grau sind, nein, es geht darum, dass der Typ den Auftrag erledigt hat. Der nächste Schritt war, dass plötzlich die Ecken zu eckig waren, die Kurven brauchten einen grösseren Radius für die Laster. Also nichts einfach als das, Randsteine rausreissen, und den Strassenverlauf ändern. Ist ganz einfach, waren auch nur ein paar der angemalten Steine dabei. Strassen werden betoniert, also einfach zuspachteln, und schon ist es geritzt. Der Beton muss noch trocknen, und da kann es schon mal sein, dass einer die Kurve nicht ganz schafft. So verewigt man sich, die einen mit den Händen, die anderen mit den Reifen:

 

Macht aber auch nix, kann man wieder zuspachteln, und diesmal ordnungsgemäss absperren, allerdings sind Absperrungen nicht einmal Empfehlungen, denn wer lässt sich schon von einem Plastikhut beeindrucken, Mann oder Memme?

 Auf der Autobahn sieht eine Baustelle immer aus wie ein Schlachtfeld: vor der Spurverengung sind alle Hütchen zu Granulat gefahren, da sie beim späten Einfädeln stören. Ein paar Loser übertreiben es und bleiben leider an der Betonabsperrung hängen, so dass sich die Plastikschnipsle mit Blech- und Glasteilen mischen. Nach der Baustelle sind alle Hütchen platt, weil sie schlicht stören, wenn man als erster wieder auf der abgesperrten Spur sein möche. Und in der Baustelle sind sie platt, weil auf der anderen Seite der Hütchen ja alles frei ist, bis auf ein paar Arbeiter, und da kann man die Schlange prima überholen. Und deshalb bringt eine Absperrung mit Hütchen nicht wirklich was, ausser eine Nachfrage nach neuen Hütchen.

02.06.2013 – immer am Sonntag

Sonntag, 02.06.2013

Wieso eigentlich? Ich hab’s noch nicht rausgefunden. Jeden Sonntag kommt unser guter Gartengeist,  siehe unten, daran haben wir uns gewöhnt. Sie winkt uns immer nett beim Frühstück zu, hat auch was. Allerdings kommen auch die Handwerker immer am Sonntag in der Früh. Egal ob Heizung, Elektro, oder jetzt lebenswichtig, der Typ, der die defekten Moskitonetze austauscht. Heute stand er vor der Tür, als ich gerade nach dem Laufen duschen war (AQI sensationell 37!! Wir sind ein Luftkurort). Der einzige Vorteil war, dass so auch unsere Teenies ihren Schönheitsschlaf beenden mussten.

Was heute wieder mal gar nicht geht, ist Internet. Erst hatten wir immer so nette Zettel im Briefkasten, wegen eines Upgrades der Leitung wird das Netz abgeschalten. Dann hatten wir ein Wochenende ein gefühltes Turbonetz, ich konnte sogar die Sendung mit der Maus im Livestream sehen, das gab es noch nie, und jetzt sind wir wieder bei 30 bis 50 kB/s. Es nervt, immer so lange zu warten, bis endlich mal eine Seite aufgebaut ist. Was jedesmal ein Reinfall ist, ist deutsches Internetbanking am Sonntag morgen: in der Nacht finden in Deutschland meist die Wartungsarbeiten statt, da kann jetzt wenigstens unser Netz nichts dafür. Ich falle aber regelmässig drauf rein.

Und wenn wir schon bei Fotos sind, eine Frage an die Experten: ist er echt oder nicht? Die Logos sehen ganz echt aus!

01.06.2013 – Logistik

Sonntag, 02.06.2013

Wir rechnen schon. Voraussichtlich fährt keiner von uns nach dem Sommer nochmal nach Deutschland, also woher die wichtigen Sachen wie bleichmittelfreies Duschgel, Nutella, Käse o.ä. nehmen? Es gibt ja hier (fast) alles, ausser Duschgel ohne Bleichmittel, allerdings zu ordentlichen Preisen. Das Stück Butter unten ist übrigens ein halbes Pfund, so ähnlich wie Goldbarren. Zweimal Deutschland haben wir noch, am besten MU fliegen, dort gibt es auch in der Holzklasse 2 Gepäckstücke, der Kranich erlaubt nur eins, und ab da darf der Besuch mit einem Lebensmittelkoffer anreisen, Zurück kann man da prima das Zeug vom Fakemarkt einpacken.

31.05.2013 – Nahkampf mit Feindberührung

Sonntag, 02.06.2013

Jetzt war’s dann endlich soweit: wie so viele Väter auf dieser Welt war ich nachts unterwegs, um meine Tochter irgendwo in dieser 23 Mio Stadt aufzugabeln, und zwar die kleine. Hier ist ständig Bewegung um Leben, neue Leute kommen, manche gehen, die einen wie geplant, andere dagegen von jetzt auf gleich. Während die einen entweder verlängern, oder planmässig zum Vertragsende heimfahren, gibt es immer ein paar, die von heute auf nächste Woche zurück gehen müssen. Das Thema Kinder und Familie spielt dann meist keine grosse Rolle. D.h. entweder alle gehen, jetzt gleich, oder die Familie bleibt da und der Vater geht. Je nach Schulsituation kann der Zustand ein paar Monate oder Jahre dauern. Wer trennt für sein Kind schon freiwillig die 11. Und 12. Klasse auf? Und deswegen gibt es dann Abschiedsfeste, und da muss man natürlich hin.

Also fahr sich so fröhlich im Dunkeln in die Stadt, bis mich einer der autonomen Laster abdrängt, dass nur noch das Manöver des letzten Augenblick mein Mobil davor bewahrt hat, auf einem der 40 cm Fahrbahnteiler aufzubocken. In Deutschland würde man schreiben, ich stand mit qualmenden Reifen vor dem Betonsockel, mit den Reifen und Bremsen hier wäre das jedoch masslos übertrieben, wo nix bremst, qualmt auch nichts, auch wenn GM draufsteht, ist halt China drin. Jetzt war ich doch ein wenig angepisst, dass dieser Heini ohne Not die Lücke zum Überholen radikal zugemacht hat, dass ich mir nach Umschiffen des Hindernisses gedacht habe, schau ich mir mal genauer an. Und zwar an der nächsten Kreuzung. Ich konnte es mir nicht verkneifen, mich überraschend vor ihn zu stellen. Nun, er war vermutlich ähnlich blind wie vorher, und hat dann leicht hinten links angedockt. Erst kam er schimpfend angerannt, hat sich dann wohl gedacht, schei…, Laowei, dann standen wir auf der Strasse und haben rumpalavert, jeder in seiner Sprache, er chinesisch, ich bayerisch. Nach fünf Minuten war klar, das bringt nichts, also sind wir wieder eingestiegen und weitergefahren. Sein Laster hat vermutlich gar nichts, mein Chinamobil einen Kratzer. Wollen wir hoffen, dass es dabei bleibt. Unfälle ohne Personenschaden sind grundsätzlich Verhandlungssache, wer nach mehr Geld aussieht, zahlt mehr, die Schuldfrage spielt eine untergeordnete Rolle. Und wie will man als Ausländer in dieser Sprache bloss verhandeln?