Berichte von 10/2014

02.10.2014 - Der Vertrag 2

Donnerstag, 02.10.2014

Und da war da noch der Vertrag, der mit der Ayi. Wahrscheinlich ahnt Ihr schon, wie es ausgegangen ist. Unsere Ayi hat die chinesische Karte gezogen: Abwarten und grünen Tee trinken. Zwischendrin hat sie den Druck erhöht: jetzt muss sie halt ihr Kind zurück nach Hause in die Provinz Anhui schicken, dann geht es ganz mutterseelenallein dort in die Schule. Das machen eigentlich alle chinesischen Kinder, da sie ja bei der Grossmutter aufwachsen, die Mutter arbeitet. Ein Westler, gemeint ist eine Langnase, will daran natürlich nicht Schuld sein, wenn einem zukünftigen Nobelpreisträger die Startchancen ins Leben vemasselt werden. Also gibt es nun einen Vertrag zum Vertrag: Es gibt den Vertrag mit Agentur, Ayi und uns, und einen mit der Ayi und uns, der den ersten für nichtig erklärt. Ist das nicht cool? Mal sehen, wie wir das in ein paar Monaten sehen. Für die Ayi war das übrigens eine wunderbare Lösung, weil: sie braucht ein Stück Papier, der Inhalt ist zweitrangig.

Dafür kommt sie jetzt nur noch 3 Tage die Woche. Nicht, weil sie das will, uns geht der 5-Tage-Geist auf die Nerven. Jemand, der an 5 Tagen die Arbeit von 2 Tagen erledigt, und die restliche Zeit versucht, beschäftigt durch das Haus zu laufen, kann ganz schön anstrengend sein, auch wenn er noch so nett ist. Für uns heisst das leider: es wird nicht mehr jeden Tag abgewaschen, und mein Bett muss ich mir wohl wieder selber machen. Oder auch nicht. Wird schwierig.

01.10.2014 – Nationalfeiertag, Fon platt

Donnerstag, 02.10.2014

Jetzt hat’s mir das iPhone z’rissen: beim Update hat es sich irgendwie verhaspelt, vermutlich wegen der langsamen Leitung oder was auch immer, und es befindet sich im Wartungszustand. Schöner Mist: meine Kontakte, Fon-Nummern, Passkopien etc. erstmal weg. Und das kurz vor knapp 3 Wochen Deutschlandreise. Wahrscheinlich geht alles über das Backup wieder zurück, aber ich hasse Terz mit Unterhaltungselektronik. Kleiner Vorteil: meine Company-Kommunikation hat erstmal Pause, jetzt habe ich doppelt frei, aber nicht weitersagen.

Das Fon zeigt beharrlich ein Ladekabel, alles andere ist ihm wurscht. Ich hab’s angestöpselt und die einzige Möglichkeit ergriffen: Wiederherstellen. Es fragt noch saublöd nach ‚wollen Sie wirklich‘, was wohl, wenn es keine Alternative gibt! Seit etwa 20 min: 850 MB von 1,66 GB geladen, noch 24 Minuten. Super. Warum wollte ich nur mal eben das blöde iOS8 laden. Ich hätte es besser wissen müssen. Und ich dachte, es ist so schlau: wenn es nicht geht, macht es im alten Modus weiter.,

Als es dann nach Stunden soweit war: Welcome to your new iPhone! Na wunderbar. Dann fragt es mich glatt nach dem Passwort meines Backups. Ich kann mich nicht entsinnen, jemals eins vergeben zu haben. Was ist gemeint: das Entsperrpasswort, das vom App Store, oder, oder? Irgendwann habe ich ein ganz altes eingetippt. Heureka! 1 Stunde später war es fast wieder wie vorher, nur die Passwörter waren alle auf einem etwa 1 Jahr alten Stand. Und das mit einem 2 Tage alten Backup. Muss ich das verstehen? Und iOS8 ist jetzt drauf. Was hab ich davon? Das Ding ist jetzt grotten langsam. Hätte ich es bloss gelassen.

China feiert heute den Nationalfeiertag. Am Vormittag waren die Strassen tatsächlich leer, am Nachmittag war schon wieder Essig. Es ist für Europäer komisch: die Lieblingsbeschäftigung ist Shopping und Essen, also haben alle Shopping- und Essengelegenheiten Hochsaison, und damit geöffnet. Wenn man durch die Stadt fährt, sind zwar die Büros geschlossen, der Rest geht ungehemmt weiter. Vermutlich würde sogar ein Handwerker kommen, einer von denen, die sonst am Sonntag in der Früh da sind. Also nix mit Feiertagsruhe, das Leben pulsiert weiter. Wo ist der Unterschied zwischen Feiertag und kein Feiertag? Es gibt keinen.

29.09.2014 – Es ist vollbracht, Ziel erreicht: dao le!

Donnerstag, 02.10.2014

Es war das Ziel schlechthin, seitdem ich diesen Notizblockzettel unterschrieben habe, der der Kaufvertrag sein sollte: Ich wollte mindestens einmal mit der Chang ins Büro fahren! Mission accomplished!

Gestern war ich erst beim Freundlichen, um das Beiwagenrad zu zentrieren. Man hat mir aber erklärt, ich soll mich nicht so anstellen, das sei völlig im Rahmen der Toleranz. Mei wenti, kein Problem, einfach weiterfahren. Ach ja, die Ladekontrollleuchte: leider ist die Lichtmaschine hin, es braucht eine neue. Entweder die Originale für 420 RMB, oder die New Technology für 1.200 RMB, die sei viel besser. Nun, ich bin ein Anhänger von Genuine Parts, also Original. Und die Bremse vorn, stimmt, die ist fest und glänzt mit verglasten Belägen. Deshalb sind sie wirkungslos. Und hinten können wir auch gleich mal nachschauen. Nach 4 Stunden bin ich dort wieder weg, fährt und bremst. Also bestens gerüstet!

Am Sonntag in der Früh habe ich es gewagt. Diese Zwangs-Wochenendarbeitstage sind nun nicht gerade die hektischten Zeiten im Büro, es ist eher so ein: naja, wir müssen halt da sein, das schien mir ein geeigneter Rahmen. Also um kurz nach 7 losgefahren, und in meinem Motorrad-GPS ‚landschaftlich schönste Strecke‘ eingestellt. Nein, nicht ganz, aber ‚Autobahnen vermeiden‘, denn Autobahnen sind für 2-Räder in China tabu, schlicht verboten. Ich kann so etwa parallel zu meiner Autobahnstrecke fahren, und es ist gar nicht so weit. Mit dem Auto sind es 45 km, mit dem Moped nur 37, also eher eine Fahrradstrecke.

Rund 90 min später war ich da, nur knapp doppelt so lang wie per Auto, gar nicht schlecht. Kein einziges Mal verfahren, aber meine Lieblingsbeschäftigung wird das nicht. Um es sich vorstellen zu können: Damals, in den 80ern, sind wir mit dem Moped auf dem Weg in die Toskana immer Landstrasse gefahren, weil uns die Autobahn zu teuer war. Durchschnittsgeschwindigkeit etwa 40 km/h, in einem immerwährenden Dorf zwischen lauter russenden LKW durch die Poebene, und es dauerte ewig. Exakt so waren die 37 km hier. Von Ampel zu Ampel, zwischen qualmenden Diesellastern, wendenden Autos, und am schlimmsten, die Unart, von rechts aus einer Ausfahrt kommend einfach in die Strasse einzubiegen.

   

Irgendwann bin ich bloss noch links gefahren. Das macht hier nämlich gar nichts, keiner drängelt, schimpft oder hupt, es wird stoisch drumrum gefahren. Speed war auch gar nicht das Problem. Mir kommt zu Gute, dass Anfahren keine chinesische Königsdisziplin ist, die Geschwindigkeitsaufnahme erfolgt sehr verhalten. Da komme ich mit der Chang gut mit. Sie ist halt ein BMW-Nachbau, und wie beim Original: kaum ist das Getriebe warm, also nach 5 Minuten, lässt es sich kaum noch schalten. Die Gangwechsel brauchen ewig, also geht es ganz langsam. Und die gefahrene Top Speed von 60 reicht vollkommen aus, meist war ich einer der schnellsten. Ätzend ist das Stehenbleiben und wieder Anfahren. Ampelphasen sind in China generell sehr lang, so um die 2 Minuten, statt ‚Gelb‘ ist da eine Anzeige, die runterzählt. Und wenn die 90 anzeigt, und ich den Leerlauf wieder nicht finde, ist das nervig. Leider kann ich mit dem sperrigen Ding nicht zwischendurch fahren, so dass ich mich immer brav anstellen muss. Ein paarmal hätte ich wie andere Autos den Radweg benutzen können, aber das hatte ich zu spät gesehen.

Auf der Strecke hätte ich jede 100 m Fotos machen können, aber ich war zu beschäftigt. Das wäre mal ein Grund für eine GoPro Einem habe ich beim Abdrängen gegen die Tür getreten, hat aber nix genutzt, und einem wollte ich nach dem typischen Rausdrängmanöver die Meinung sagen. Nutzt aber auch nix, er hat es chinesisch gelöst: Fenster hoch und tot stellen. Schlimm sind die Schlaglöcher und Brückenanschlüsse. Der Federweg der Chang ist zwar vorhanden, aber mehr auch nicht. Es kracht jedesmal fürchterlich, und die 350 kg springen in irgendeine Richtung, aber sie hält es aus.

So bin ich heil hin- und wieder zurückgekommen. Meine Kollegen fanden es natürlich cool, sie waren nur von der Höchstgeschwindigkeit etwas enttäuscht. Wie übrigens viele Chinesen unterwegs: Die, die mich nicht in den Strassengraben drängen wollten, haben mir freundlich zugewinkt. Für mich war es nichts Besonderes, mit einer Mopedjacke und einem Helm durchs Büro zu laufen, meine Kollegen hatten sowas wohl noch nie gesehen, und schon gar nicht von einem Deutschen. Kurze Zeit später gab’s die ersten Fotos auf WeChat.

Übrigens WeChat, die chinesische Plattform für alle Lebenslagen: Ich habe dort eine Kaugummiwerbung mit der Changjiang entdeckt, die vom Mopedladen gepostet wurde. Fortsetzungsgeschichte, und am Schluss kriegen sie sich doch. Und natürlich YiDa, den Kaugummi. Wer mal reinschauen will, es beginnt nach der Sprite und McDonald Werbung: http://v.youku.com/v_show/id_XNDYzMjM0NDk2.html?x

Ich werde wieder mal mit dem Ding ins Büro fahren, aber nicht so bald. Und ich muss mir noch was überlegen. Schon nach der Ankunft dort hatte ich ein fürchterliches Kratzen im Hals, jetzt ist es immer noch nicht weg. Ich nehm wohl besser die Asiatenvariante: Mundschutzmaske beim Fahren. Das ist doch ungesünder als ich es mir vorher ausgemalt hatte. Auf jeden Fall hat sie nun über 400 km drauf, und das in 3 Wochen, das ist rekordverdächtig.

23.09.2014 – TCM

Donnerstag, 02.10.2014

Ich versuch’s mal wieder mit TCM. In China gibt es nicht West und Ost, oder Modern und Traditionell, nein, es gibt traditionelle und westliche Medizin. Also merke, der Gegensatz zum Westen ist Traditionell. Wir wohnen im westlichen Teil von Shanghai, meine Kollegen im traditionellen. Dazu gibt es eine nette Beobachtung. Meine Generation ist ja noch mit ‚die Russen kommen‘ gross geworden, will heissen: alles moderne, schöne und wohlhabende kam aus dem Westen, alles alte, rückständige und arme befand sich im Osten. China ist genau andersrum: der Boom findet in den östlichen Regionen entlang der Küste statt, der Westen ist ein ganzes Stück hinterher. Jedesmal, wenn eine Langnase aus Europa einen Vortrag darüber hält, und das passiert ziemlich oft, kann man drauf warten, bis er vom armen Osten Chinas spricht. Interessant, was jahrelange Prägung so ausmacht. Die Westgoten wohnen von uns gesehen aus im Osten.

Aber zurück zu TCM: Die Behandlung erfolgt mit diesen Tees, die ich das letzte Mal schon nach dem ersten Versuch verweigert habe. Diesmal hat meine Tochter vor mir eine volle Woche durchgestanden, seitdem stehe ich unter Zugzwang. Man bekommt eine grosse Anzahl an Tütchen, deren Inhalt zusammen in ein Teeglas geschüttet wird. Es sieht aus wie der Sand, in dem damals unsere Kinder gespielt haben. Und kostet auch so viel. Ich erinnere mich noch an meinen ungläubigen Blick auf das Preisschild, als ich im Baumarkt den handpolierten Sandkastensand gekauft habe, da war wohl jedes Korn handverlesen. Und so ist das hier auch, vielleicht ist die Verpackung der Preistreiber. Das Ganze wird mit Wasser aufgegossen, und sieht dann immer noch aus wie der Matsch von damals. Nur dass ich ihn diesmal trinken soll, und das 2x täglich. Man sagt ja, in China sind 70% der Medikamente gefälscht, davon 80% wirkungslos, der Rest ist giftig. Zu welcher Kategorie gehört wohl der traditionelle Sand?

13.09.2014 – oans, zwoa, gsuffa!

Donnerstag, 02.10.2014

In Shanghai ist Oktoberfest! Dieses Jahr nicht beim Paulaner, sondern zur Abwechslung im Renaissance Hotel. Stilecht im grossen Bierzelt vorm Hotel, angeblich original von der Wiesn (später habe ich rusgefunden, woher: von der Firma, die sonst Produktionsfirmen Zelte für die unbewältigten work-in-progress Mengen hinstellt). Mit bayerischem und chinesischen Essen, Dirndlwettbewerb und Kampftrinken in der Frauen- und Männerklasse. Dirndlwettbewerb waren mehrheitlich Ausländer, gewonnen hat aber ein Mann, der sich aus Versehen auf die Bühne verirrt hatte: In der Lederhosn, nicht im Dirndl! Am schnellsten eine Halbe und einen Schnaps trinken war Chinesendisziplin. Die Mädels mit, die Jungs ohne Strohhalm. Sie waren alle schnell, der Gewinner hätte beinahe wieder alles auf die Bühne entladen, immer am Limit.

Was ist nun besser? im Paulaner waren Stimmung und Band besser, hier ist es steriler und aufgeräumter, mehr so die Exportversion. Lassen wir es als netten Abend gelten.

08.09.2014 – Mopedtour, die erste

Donnerstag, 02.10.2014

Habt Ihr es noch geglaubt, bestimmt nicht, und ich am allerwenigsten: Sie fährt!! Ich bin mit dem Ding tatsächlich gefahren, und zwar ganze 50 km ohne lebensbedrohliche Defekte. OK, der linke hintere Blinker geht nicht mehr, das Seitenwagenrad hat eine 16 und die Ladekontrollleuchte ist beleidigt, aber die Hauptfunktion ‚Fahren‘ ist erhalten geblieben. Die Funktion ‚Bremsen‘ wurde schon serienmässig nicht mitgeliefert. Wir haben eins der seltenen 3-Tage-Wochenende, wegen Moon Festival ist der Montag frei, und ich muss dafür nicht mal am Sonntag arbeiten. Das habe ich genutzt. Verbrennungsmotor siegt über Elektro.

Heimgekommen bin ich Freitag spät aus Korea, und niemand hatte so richtig Lust, die 3 Tage wegzufahren: Abhäng-Modus. Dabei hätte ich schon früher daheim sein können: Korea feiert 5 Tage Moon Festival oder auch koreanisches Thanksgiving, und alle haben mir ans Herz gelegt, früh loszufahren, um nicht im Stau zu verenden. Der Bus hat zwar nur die üblichen 2 Stunden gebraucht, ich war viel zu früh am Flughafen. Stau ist eben eine Paranoia in Korea, oder sie wollten mich einfach nur loswerden!? Es gab einen früheren Heimflug, Plätze noch frei, alles prima, schliesslich bin ich an der Kommunikation zwischen meinen Freunden von MU und KE gescheitert: Platz frei, aber umbuchen geht nicht, obwohl ich schon bezahlt hatte. Mit der üblichen Verspätung war es tief in der Nacht, bis ich daheim war.

Am Sonntag gab’s ein Weisswurschtfrühstück, aus der Dose, von einem netten Kollegen, der uns seine heiligen Reste bei seiner Rückkehr dagelassen hat. Am Montag dann die Nagelprobe: jetzt muss das Moped zeigen, was es kann, raus aus der Komfortzone, also dem 1 km Kreis um unser Haus. Erfolg! Heimkehr aus eigener Kraft! Erst habe ich meine Radlstrecke nach Shi Shan getestet. Sie geht durch die Pampa an einzelnen Häusern (Bauernhöfen?) vorbei über ein schachbrettartiges Wegesystem. Ich wollte mal anders fahren als sonst, und bin jedes Mal auf einem der Höfe in einer Sackgasse geendet. Zwar hatte ich dort die volle Aufmerksamkeit der Bewohner, anscheinend dreht nicht jeden Tag eine Langnase mit einem Moped im Hof um, aber eigentlich wollte ich nur weiter. Irgendwann hab ich aufgegeben und bin auf den bekannten Weg zurückgefahren. Ab Shi Shan bin einfach nach Westen gefahren, irgendwie. Solange, bis mein Bauch der Meinung war, es ist gut mit dem Experiment. Also per GPS den Weg zurück gesucht, gefunden, und selbständig zurück in die Garage. Das mache ich demnächst nochmal! Vorher muss ich bloß das eiernde Seitenwagenrad tauschen, den Blinker reparieren, und mal nach der Leuchte sehen. Aber das sind Kleinigkeiten.

Wer mal die chinesische Variante von Youtube testen will: hier ein Filmchen von einer Yunnan Tour, auf meinem iPad läuft’s, auf dem Laptop klappt es nicht. Einfach mal versuchen. http://v.youku.com/v_show/id_XMzkzMDEwNzg4.html?x