21.01.2015 – Neues aus Shanghai

Sonntag, 25.01.2015

Ich habe jetzt ein Shanghai Daily Abo, für 9 EUR pro Monat auf das iPad, Euro wohlgemerkt, nicht RMB. Kann sich jeder holen, vielleicht als Ergänzung zur Ludwigsburger Kreiszeitung. Also bin ich wieder up-to-date, was den neuesten Tratsch in der Stadt betrifft.

Das schlimmste Ereignis in letzter war die Massenpanik am Bund mit Toten. Trotz der Gerüchte mit den aus dem Fenster geworfenen Geldscheinen ist sie schlicht auf zu viele Leute auf einer Treppe in beiden Richtungen zurückzuführen. Zu viel in Shanghai heisst aus europäischer Sicht viel zu viel. Im Begegnungsverkehr sind einzelne gefallen und die Menge war zu gross. Während Polizeiberichte oft mit ‚the police is investigating‘ enden, gab es diesmal eine schnelle Konsequenz, diese Woche ist der Fall abgeschlossen. Die Distriktregierung trägt die Verantwortung für mangelnde Sicherheitsvorkehrungen und wurde des Amtes enthoben. Pikanterweise sassen genau die fraglichen Beamten zur gleichen Zeit in einem stadteigenen Sushi-Restaurant und haben es sich für 2.700 RMB pro Nase gut gehen lassen – ohne zu bezahlen. Das war es dann wohl. Der Club mit den angeblich geworfenen Fake-Scheinen ist übrigens angeblich seitdem wegen Renovierung geschlossen. Aber das ist nur ein Gerücht.

Interessant übrigens der Bericht auf SPON: die Rettungswägen hätten zu lang gebraucht, bis sie vor Ort waren. Wenn Du ein Gesundheitsproblem hast, hol ein Taxi, keinen Krankenwagen, der kommt nämlich nicht. Eine der Shanghai Auffälligkeiten ist: es ist zwar nie still, aber der Lärm enthält keine Sirenen. Jeder kennt den typischen New York Ton mindestens aus dem Film, auch in Deutschland gehört so ein Martinshorn (warum eigentlich Martin?) zur Geräuschkulisse. Hier nicht, das Geräusch fehlt. Wer hier einen Rettungswagen findet, soll Bescheid sagen. Es soll welche geben, aber kein Personal, das mit ihnen rumfährt. Wie auch immer, auf der Strasse nicht vorhanden. Auch wenn SPON sich das so vorstellt, die Welt sieht anders aus.

Neuer Gag: weil immer wieder Laster beim Rechtsabbiegen Mopeds samt Ladung überfahren, sollen sie jetzt mit Seitenkameras ausgerüstet werden. Dabei geht es gar nicht um das Sehen, sondern um die Hackordnung. Der grössere biegt ab, wann immer er will, der kleinere muss aufpassen, dass er nicht unter die Räder kommt. Das gilt fuer alle Ein- und Ausfahrten, und für das Abbiegen. Vor allem wenn die Laster gross und grün sind, ist Vorsicht geboten. Das sind die einzigen, die auch heute noch bei Rot über die Ampel fahren, alle anderen lassen das, nach 2x ist der Schein weg. Bei diesen Truckercowboys, meistens ausgemergelte Kerle, gefühlt 20 Jahre alt mit Tunnelblick nach vorn, die für irgendjemand fahren und pro Fahrt bezahlt werden, gilt: tiefe Wasser sind schwer zu ergründen, heisst: Wildcard im Strassenverkehr. Ob mit oder ohne Kamera. Mein Fahrer gibt jeden Morgen die kleine Ausgabe davon bei der Ausfahrt aus dem Compound. Mopeds und Fahrräder werden ignoriert, nicht Hinschauen und einfach rausfahren. Ich bleibe immer ordentlich stehen, und verwirre damit die Mopedfahrer: sie bleiben nämlich trotzdem stehen, reiner Überlebensreflex.

Was noch? Das Wetter ist komisch. Anfang Januar fast 20grd, 3 Tage später in der Früh unter Null, ganz selten für Shanghai. Duschen zu Hause ist wie auf dem Campingplatz: bloss nicht vom Wasserstrahl entfernen, da ist es nämlich a…kalt. Und danach ganz schnell Abtrocknen, damit die Kneippkur erträglich bleibt.