29.09.2014 – Es ist vollbracht, Ziel erreicht: dao le!

Donnerstag, 02.10.2014

Es war das Ziel schlechthin, seitdem ich diesen Notizblockzettel unterschrieben habe, der der Kaufvertrag sein sollte: Ich wollte mindestens einmal mit der Chang ins Büro fahren! Mission accomplished!

Gestern war ich erst beim Freundlichen, um das Beiwagenrad zu zentrieren. Man hat mir aber erklärt, ich soll mich nicht so anstellen, das sei völlig im Rahmen der Toleranz. Mei wenti, kein Problem, einfach weiterfahren. Ach ja, die Ladekontrollleuchte: leider ist die Lichtmaschine hin, es braucht eine neue. Entweder die Originale für 420 RMB, oder die New Technology für 1.200 RMB, die sei viel besser. Nun, ich bin ein Anhänger von Genuine Parts, also Original. Und die Bremse vorn, stimmt, die ist fest und glänzt mit verglasten Belägen. Deshalb sind sie wirkungslos. Und hinten können wir auch gleich mal nachschauen. Nach 4 Stunden bin ich dort wieder weg, fährt und bremst. Also bestens gerüstet!

Am Sonntag in der Früh habe ich es gewagt. Diese Zwangs-Wochenendarbeitstage sind nun nicht gerade die hektischten Zeiten im Büro, es ist eher so ein: naja, wir müssen halt da sein, das schien mir ein geeigneter Rahmen. Also um kurz nach 7 losgefahren, und in meinem Motorrad-GPS ‚landschaftlich schönste Strecke‘ eingestellt. Nein, nicht ganz, aber ‚Autobahnen vermeiden‘, denn Autobahnen sind für 2-Räder in China tabu, schlicht verboten. Ich kann so etwa parallel zu meiner Autobahnstrecke fahren, und es ist gar nicht so weit. Mit dem Auto sind es 45 km, mit dem Moped nur 37, also eher eine Fahrradstrecke.

Rund 90 min später war ich da, nur knapp doppelt so lang wie per Auto, gar nicht schlecht. Kein einziges Mal verfahren, aber meine Lieblingsbeschäftigung wird das nicht. Um es sich vorstellen zu können: Damals, in den 80ern, sind wir mit dem Moped auf dem Weg in die Toskana immer Landstrasse gefahren, weil uns die Autobahn zu teuer war. Durchschnittsgeschwindigkeit etwa 40 km/h, in einem immerwährenden Dorf zwischen lauter russenden LKW durch die Poebene, und es dauerte ewig. Exakt so waren die 37 km hier. Von Ampel zu Ampel, zwischen qualmenden Diesellastern, wendenden Autos, und am schlimmsten, die Unart, von rechts aus einer Ausfahrt kommend einfach in die Strasse einzubiegen.

   

Irgendwann bin ich bloss noch links gefahren. Das macht hier nämlich gar nichts, keiner drängelt, schimpft oder hupt, es wird stoisch drumrum gefahren. Speed war auch gar nicht das Problem. Mir kommt zu Gute, dass Anfahren keine chinesische Königsdisziplin ist, die Geschwindigkeitsaufnahme erfolgt sehr verhalten. Da komme ich mit der Chang gut mit. Sie ist halt ein BMW-Nachbau, und wie beim Original: kaum ist das Getriebe warm, also nach 5 Minuten, lässt es sich kaum noch schalten. Die Gangwechsel brauchen ewig, also geht es ganz langsam. Und die gefahrene Top Speed von 60 reicht vollkommen aus, meist war ich einer der schnellsten. Ätzend ist das Stehenbleiben und wieder Anfahren. Ampelphasen sind in China generell sehr lang, so um die 2 Minuten, statt ‚Gelb‘ ist da eine Anzeige, die runterzählt. Und wenn die 90 anzeigt, und ich den Leerlauf wieder nicht finde, ist das nervig. Leider kann ich mit dem sperrigen Ding nicht zwischendurch fahren, so dass ich mich immer brav anstellen muss. Ein paarmal hätte ich wie andere Autos den Radweg benutzen können, aber das hatte ich zu spät gesehen.

Auf der Strecke hätte ich jede 100 m Fotos machen können, aber ich war zu beschäftigt. Das wäre mal ein Grund für eine GoPro Einem habe ich beim Abdrängen gegen die Tür getreten, hat aber nix genutzt, und einem wollte ich nach dem typischen Rausdrängmanöver die Meinung sagen. Nutzt aber auch nix, er hat es chinesisch gelöst: Fenster hoch und tot stellen. Schlimm sind die Schlaglöcher und Brückenanschlüsse. Der Federweg der Chang ist zwar vorhanden, aber mehr auch nicht. Es kracht jedesmal fürchterlich, und die 350 kg springen in irgendeine Richtung, aber sie hält es aus.

So bin ich heil hin- und wieder zurückgekommen. Meine Kollegen fanden es natürlich cool, sie waren nur von der Höchstgeschwindigkeit etwas enttäuscht. Wie übrigens viele Chinesen unterwegs: Die, die mich nicht in den Strassengraben drängen wollten, haben mir freundlich zugewinkt. Für mich war es nichts Besonderes, mit einer Mopedjacke und einem Helm durchs Büro zu laufen, meine Kollegen hatten sowas wohl noch nie gesehen, und schon gar nicht von einem Deutschen. Kurze Zeit später gab’s die ersten Fotos auf WeChat.

Übrigens WeChat, die chinesische Plattform für alle Lebenslagen: Ich habe dort eine Kaugummiwerbung mit der Changjiang entdeckt, die vom Mopedladen gepostet wurde. Fortsetzungsgeschichte, und am Schluss kriegen sie sich doch. Und natürlich YiDa, den Kaugummi. Wer mal reinschauen will, es beginnt nach der Sprite und McDonald Werbung: http://v.youku.com/v_show/id_XNDYzMjM0NDk2.html?x

Ich werde wieder mal mit dem Ding ins Büro fahren, aber nicht so bald. Und ich muss mir noch was überlegen. Schon nach der Ankunft dort hatte ich ein fürchterliches Kratzen im Hals, jetzt ist es immer noch nicht weg. Ich nehm wohl besser die Asiatenvariante: Mundschutzmaske beim Fahren. Das ist doch ungesünder als ich es mir vorher ausgemalt hatte. Auf jeden Fall hat sie nun über 400 km drauf, und das in 3 Wochen, das ist rekordverdächtig.