19.07.2014 – der Aufholblog

Sonntag, 20.07.2014

Wahrscheinlich habt Ihr es schon gemerkt: ich bin hinten dran, mit dem Blogschreiben meine ich! Wer es noch nicht gemerkt hat, der liest wohl nicht regelmässig. Deshalb habe ich mich für den Aufholblog entschieden. Vielleicht lasse ich jetzt ein paar nette Stories aus, aber immer mit 2 Monaten Verzug zu schreiben, ist auch öde. Wie auch immer, in den letzten Wochen hat es nicht funktioniert, mich hinzusetzen und zu schreiben. Also jetzt alles, was mir so einfällt, auf einmal, und dann geht es in Echtzeit weiter, ist zumindest das Ziel.

Am ersten Wochenende habe ich mit viel Erfolg den Rosthaufen wieder in ein Moped verwandelt. Es gibt tatsächlich Lackpflegemittel mit Wet Look. Also habe ich jetzt eine Chang mit Lackschäden und Wet Look, sieht schick aus.

Mittendrin war Shanghai im Ausnahmezustand: Chinas Staatspräsident war da. Die Unternehmen in der Stadt durften zumachen, da in der Innenstadt mehrere Strassen gesperrt und in der Metro die Leute nur noch auf Sitzplätzen fahren durften, gut bewacht von der örtlichen Polizei.

China druckt fleissig Geld. Es passiert immer öfter, dass man Scheine mit aufeinanderfolgenden Nummern bekommt. Aus Deutschland kenne ich das nur vom Bankraub. Hier gibt es es das bei allen Scheinen, meistens bei den 100 RMB Scheinen aus dem Geldautomat. Es ist ja schon komisch genug, dass das Land mit, flapsig gesagt, 10 Mark Scheinen funktioniert. Ich weiss, es sind zu Zeit 11 Euro Scheine, dennoch: da man in China der Bank nicht so richtig traut und lieber bar zahlt, wie zahlt man einen Range Rover mit 11 Euro Scheinen. Chinesen sind irre schnell im Geld zählen, kein Wunder, mein Moped habe ich mit 1 cm dieser Scheine bezahlt.

Die Currywurstsaison hat wieder angefangen. In Taicang, ein Dorf weiter von Jiading, wo unser Werk ist, baut jeden Freitag ein von einem deutschen Ex-VW Mitarbeiter gegründeter Laden seinen Holzkohlengrill auf und ist so ein magnetischer Anziehungspunkt für alle Kantinenflüchtlinge. Dimos ist in ganz Shanghai bekannt, dort treffen sich die Mitarbeiter von VW und besonders Schäffler, lustig zwischen lauter Oberfranken in China eine Currywurst zu essen: Man bestellt Currywurst mit Pommes Frittes, er schreibt’s auf chinesisch auf, und 5 min später bekommt man das Ding frisch vom Grill. Etwas gewöhnungsbedürftig ist es, bei 38°C so ein Ding zu essen, aber mit ein bisschen gutem Willen geht's.

Leider habe ich mir einen Zahn mit einer Schweinebratenkruste (ja, sowas gibt es hier) zerbissen. Ich war bei einer der deutschen Fachkräfte, eine Zahnärztin. Sie hat mir gleich Mut gemacht: das machen wir jetzt provisorisch, und zu Hause können Sie das dann richtig machen lassen. Na super, ich fahr‘ jeden Abend nach Hause, aber nicht nach Deutschland. Zum Trost: Kronen kommen hier aus den USA. Also bekomme ich in Kürze in China von einer deutschen Zahnärztin eine amerikanische Krone eingesetzt. Immer positiv denken!

EndeJuni hat mich die Familie nach Deutschland verlassen. Warum auch nicht, hier ist es eh nur heiss und schwül, was soll man dann hier? Dieses Jahr ist das Timing anders, es ist kaum noch einer der Väter da, die coole ‚wir grillen‘ Zeit fällt aus. Schade. Und: Jetzt haben sie mich mit dem Hasen allein gelassen! Ich versuche ja, eine innige Beziehung aufzubauen, nur der Hase sieht das anders. Wenn ich ihn aus dem Käfig lasse, hinterlässt er im Haus seine Spuren, im Käfig dreht er durch und will raus. Wir haben ihm draussen ein 2,5x2,5 m² Gehege gebaut, da flakt er sich in die Ecke und pennt. Und wenn ich ihn streicheln will, beisst er. Immerhin hat er in unseren streunenden Katzen ein paar Freunde gefunden, die ihn regelmässig besuchen. Als erstes hat er Lili gebissen, unsere Ayi. Sie hat den Job, sich um das Tier zu kümmern, wenn ich nicht da bin. Es gibt hier Hunde Ayis, warum nicht auch eine Hasen Ayi? Lili ist dann gleich ins Krankenhaus gefahren, wegen Angst vor Tollwut, und meine Assistentin hat mich dezent drauf hingewiesen, dass jemand die Krankenhausrechnung übernehmen sollte. Erst habe ich an den Hasen gedacht, dann habe ich es doch selber gezahlt: 75 Kwai, immerhin. Ein wenig enttäuscht war ich schon, ich dachte, so eine Ayi ist mit Tieren handfester.

Dieses Jahr ist das Wetter anders, wohl so, wie es sich gehört. Juni ist méi yǔ , die Regenzeit (yǔ für Regen ist ein schönes Zeichen, oder?), in der es ganztägig grau ist, nieselt, man nicht weiter als 300 m sieht und die Luft kauen kann. Letztes Jahr hat mir mein Kollege davon erzählt, und ich habe es nicht geglaubt, weil: es hat nicht stattgefunden. Hätte ich wohl besser, dieses Jahr hält sich das seit Mitte Juni, deutscher November bei 25°C. Wenn das rum ist, wird alles besser, dann ist das Wetter klar definiert: 35-40°C und schwül.

Kurzzeitig ging ein Raunen durch die Expatgemeinde: Google ist wieder erreichbar. 2 Tage hat es funktioniert, dann war der Spass wieder vorbei. Mann!

Dann war ich in den USA, ich hätte die Krone vielleicht gleich selber mitnehmen können. 12 Stunden Zeitverschiebung machen nicht wirklich Spass, und gerade, wenn der Körper so halbwegs wieder mitspielt, geht es wieder zurück. Die Einreise war ein Kinderspiel. Mit mir waren 80% Chinesen im Flugzeug, die sich alle bei US citizens angestellt haben, wir waren nur zu fünft beim ESTA Verfahren, in 10 Minuten war ich durch, das ist Rekord. Beim letzten Mal dauerte der Spass eineinhalb Stunden. Das erste, was mir aufgefallen ist, so frisch aus Shanghai: dieMenschen sind doppelt so gross, doppelt so breit und doppelt so, na ja, dick. Ist jetzt keine besonders neue Erkenntnis, zeigt aber die menschliche Wahrnehmung. Ausserdem gibt es dort viele Chinesen, und das 20-jährige chinesische Girl mit Cayenne im Schritttempo auf der Interstate habe ich auch getroffen, ist wohl ein Exportartikel. Auch sonst könnte ich über die USA ähnliche Stories schreiben wie über China. Beispiel: Auf der Bank haben sie mir eine Wasserflasche angeboten: völlig tiefgekühlt. Sie haben sich dafür entschuldigt, am Abend war sie immer noch zur Hälfte gefroren. Und ich habe etwas gelernt: wir waren bei so etwas wie einem Strassenfestl auf dem Land, mit vielen Rednecks (kannte ich schon) und White Trash (kannte ich noch nicht, darf man das schreiben?). Hin war mein Flug gecancelt, zurück dachte ich, ich bekomme was besonderes: In der 747 oben. War auch besonders: chinesische Familie mit kreischendem, verzogenen 5-jährigen, der von den 14 h leider nur die letzten beiden verschlafen hat. Selbst die Stewardessen haben ihn nicht ruhig bekommen. Ätz!

Der Vorteil: ich konnte mir das Endspiel der WM am Nachmittag ansehen. Shanghai war eher ungünstig, die Spiele haben um Mitternacht (OK), 3 Uhr (untauglich), 4 Uhr (wenn Deutschland spielt) und 6 Uhr (OK) begonnen. Meine Kollegen waren übigens der Meinung, dass die Ergebnisse sowieso vorher ausgemacht sind, deshalb haben sie bei D – USA auf unentschieden gesetzt. Besonders beliebt war Wetten auf Ergebnisse, wenn man mit irgendwas Geld machen kann, auf geht’s. Ein Kollege hat angeblich bei 10.000 RMB Einsatz 150.000 RMB gewonnen, mit dem Endspiel. Ob’s stimmt? Die Chinesen selbst spielen nicht so besonders Fussball, sie sagen von sich selbst, kutlurell sind sie nicht gut in Mannschaftssportarten. Wichtig sind nur Medaillen bei Olympia, als Mannschaft Erfolg zu haben, ist zu aufwendig. Ein chinesischer Witz ist übrigens: Nach dem Spiel BR – D sagen sie, da hätte die chinesische Mannschaft auch gewonnen!

Zurück war ich erst beim Grillen in einer chinesischen Siedlung, mit dem Sohn eines Kollegen meines früheren Arbeitgebers, lustig, wie man immer dieselben 200 Leute trifft. Es sind diese 3-stöckigen Wohnblöcke, in denen auf jedem Stockwerk eine chinesische Familie wohnt, mit Bad und Toilette unten auf dem Hof für alle. Eines der Häuser war als eins für Westler umgebaut, wirklich schick. Es ist nahe am schwäbischen Reihenhaus, etwa 4 m breit mit versetzten Stockwerken und Dachterrasse. Als einziger Laowai ist das erstmal etwas gewöhnungsbedürftig, aber keine schlechte Alternative zu unserem Deutschenghetto an der deutschen Schule. Und dann auf einem Skyscaper Walk mit einer deutschen Architektin, von wegen Ghetto! Gelernt habe ich ein bisschen was über die Bauten in Shanghai, so sind die Steinhäuser am Bund keine Steinhäuser, sondern Stahlkonstruktionen mit Stein verkleidet. Warum? Da das alles Lehm bis in unendliche Tiefen ist, wären die Gebäude sonst zu schwer. Ins Walldorf Astoria muss man deswegen erstmal 4 Stufen runtersteigen, bis man in die Lobby kommt, es ist nämlich abgesunken. Und jetzt weiss ich: auch ich kann im Stehen schlafen. Gegen 9 Uhr abends habe ich mindestens 15 Minuten nicht mitbekommen, Nightwalk (!), ich bin einfach eingeschlafen, blöde Zeitumstellung. Dafür am Sonntag um 4 wieder aufgewacht.

So, damit ist der Aufholblock beendet.