Berichte von 06/2012

11.06.2012 – die Saga

Donnerstag, 28.06.2012

Heute ist Due Day: Agent 2 soll bis heute Mittag Bescheid sagen, ob sein vermietetes Haus nun zu haben ist: high noon. Und unser Haus und Hof Agent arbeitet daran, den Vertrag mit der Baustelle zustande zu bringen.

 

Und was passiert? Der Vermieter der Baustelle hat keine Lust auf den Möbeltausch und vermietet lieber an Siemens. Damit ist Agent 1 am Boden zerstört, und Agent 2 bittet um Aufschub bis 2 Uhr. Ab jetzt gibt es stündliche Updates, bis er sich gar nicht mehr meldet. Das Drame nähert sich dem Höhepunkt. Gegen 4 Uhr bietet Agent 1 an, seine Provision Mietpreis-senkend einzusetzen. ‚everything is possible! Agent 2 schweigt. Und ich frage mich, welche Randbedingung ich ändern kann, um endlich einen Schritt nach vorne zu machen: netter Satz meines Chef: bring the saga to an end!

Und wie so oft, nicht nur in China, die Lösung ist schlicht mehr Geld. Das vermietete Haus ist auf einmal zu haben, der Preis liegt da, wo alle anderen auch liegen, und ich schlage zu bzw. ein. Nachdem ich viele Schrotthäuser gesehen, schlafende Bewohner im Bett überrascht, in Küchen fremder Leute verhandelt, mir Gedanken über Schimmel gemacht, nachts auf der Autobahn 5 stellige Summen verhandelt und mit französischen Bewohnern diskutiert habe, ist die Hemmschwelle deutlich gesunken. Und was sind schon ein paar tausend RMB, auch wenn der Euro ständig weiter fällt.

Die ganze Familie ist glücklich, schliesslich ist es genau das Haus, das wir alle uneingeschränkt haben wollten, dafür zahle ich dann fast jeden Preis, oder so ähnlich.

10.06.2012 – und ein neuer Tag auf’s Haus

Donnerstag, 28.06.2012

Heute ja Sonntag, aber wer ein Haus haben will, der muss früh aufstehen. Erst wollte ich ja noch laufen gehen, die 2 Wochen Familienbesuch musste als Ausrede herhalten. Ich hab’s dann gelassen (schon wieder faul), und am Montag in der Zeitung gelesen: das Wochenende waren die Tage mit der höchsten Feinstaubbelastung seit Beginn der Aufzeichnung, irgendwann in den 90ern. Wer weiss, wozu es gut war!

Warum wieder ein Tag auf’s Haus? Ich habe angeblich die Chance, das Baustellenhaus auch ohne 10 kRMB anzumieten, und soll mit dem Vermieter die Details vereinbaren. Eigentlich ganz einfach, ich habe noch im Ohr, dass meine Frau die Möbel alle fürchterlich findet. Also einfach: alles raus! Und da mir der Landlord anbietet, neues Zeug zu besorgen, schreibe ich auf, was ich gerne hätte. Meine Forderung, die Küche muss bei der Übergabe sauber sein, und auch der Kühlschrank, der abgeschaltet geschlossen in der Mittagssonne auf der Terrasse steht, sollte vom Schimmel befreit sein, wird wohl als kleinlich betrachtet. Im wesentlich werden wir uns einig. Und bei den alternativen Sofas ist es von Vorteil, dass der Vermieter mehrere Häuser im Angebot hat. Er bietet mir einen Ringtausch an, wie die Batterien in den Türschlössern meines Appartments. Um die Angebote live zu testen, darf ich mit Landlord und Agent in ein bewohntes Haus fahren, um Sofas zu fotografieren, Matratzenhärten zu testen (der Vermieter hat auch einen Verwandten mit einer Matratzenfabrik, wer kennt ‚Asterix bei den olympischen Spielen‘?) und Schreibtische zu bewerten. Wir setzen uns dort an den Küchentisch und verhandeln weiter. Der Vermieter telefoniert dabei permanent mit seiner Schwester in Australien, dem eigentlichen Vermieter (s. Unterschrift), zumindest wird es mir so erklärt. Bis – genau, die Bewohner heimkommen! Und was passiert? Die Show geht weiter. Mir ist das ja ein bisschen unangenehm, immerhin bekomme ich einen Kaffee vom Familienvater. Irgendwann mache ich dann den deutschen Vorschlag, doch woanders weiterzumachen, der Handyempfang im Haus ist eh nicht so toll. Das zweite Argument zieht.

08.06.2012 – der Krimi

Donnerstag, 28.06.2012

Die Familienzusammenführungsaktion ist zu Ende, d.h. die drei fliegen wieder heim, per Nachtflug kurz vor Mitternacht. Wir haben viel versucht, um doch noch an ein Haus zu kommen, aber es hat nicht sollen sein.

Und es soll keiner sagen, wir hätten es nicht weiter versucht: Erst kommt ein neuer Agent und bietet neue Häuser an. Nur sind die nicht neu, die meisten kenne ich schon, vermutlich kenne ich inzwischen den gesamten Markt, Agent im Zweitberuf wäre eine Option. Die wirklich neuen Häuser haben entweder einen modrigem Keller oder lockere 450 m² und stehen schon Monate leer, womit wir auf der Skala wieder ganz am Anfang gelandet wären. So ein Haus steht immer schon lange her, und so sieht es auch aus: Schmuddel ohne Ende, und ich möchte meine Kinder weder im Keller noch im Palast suchen müssen. Auch in China ist Energie teuer, und ein 3-geschossiger Kühlschrank im Sommer ist nicht umsonst zu haben. Aber, nie aufgeben: ein Haus ist dabei, hurra hurra! Gebongt! Bis ich am Abend erfahre, dass diese Haus schon von jemand anders angemietet ist, quasi ein Fake. Aber kein richtiger Fake, da es wohl eine Chance gibt, dass der geschlossene Vertrag wieder aufgelöst wird.

Und dann wird es spannend, die Agents kämpfen um den Auftrag: Zwischendrin ruft mich unser erster Agent an und erklärt mir ausführlich, dass ich ja ein Haus gefunden habe, das aber schon vermietet ist, ich es daher nicht bekommen werde und sie mir deshalb ein Backup anbietet?? Es gilt der erste Hauptsatz: in China gibt es kein Geheimnis, jeder weiss alles und meist mehr als du selbst.

Mit dem Wissen kommt wieder ein anderes Haus ins Spiel (das Backup!). Das ist zwar auch an jemand vermietet, aber der Vertrag ist illegal, da eine Unterschrift gefälscht ist; und das ist für einen chinesischen Agent eine klare Sache: da geht was! Oder, wie mein Kollege von HR mir gemailt hat: in China everything is possible, nothing is impossible! Gleichzeitig ist das auch eine Lehre in chinesischer Kultur: genau das Haus habe ich mir als erstes angesehen (oder besser, dort wurde ich als erstes hingeführt), und es wegen der Raumaufteilung und der Tatsache abgelehnt, dass es sich um eine Baustelle handelt. Der Besitzer baut eine Fussbodenheizung ein, es sieht fast aus wie ein Rohbau. Und was sagt der Chinese dazu? alles bewegt sich im Kreis und kommt wieder! Und was sagt der Agent dazu? Alles bewegt sich im Kreis, das Haus habe ich Dir doch zuerst gezeigt! Muss ich es verdächtig finden, dass sie den Vermieteren jedesmal so herzlich begrüsst? Ist sicher nur Freundlichkeit!

Und das alles geht mir durch den Kopf, als ich gegen Mitternacht auf der Autobahn vom Flughafen zurück nach Hause fahre. Und ich entdecke etwas neue: hier werden Rennen gefahren, und zwar Mopedrennen! Während ich den Buick mit Tempomat bei 120 rollen lasse, fahren mir ein paar kreischende 4-Zylinder um die Ohren, ohne Nummernschild (logisch, beim Moto GP schon mal ein Schild gesehen?), Licht und Helm. Eigentlich gibt es in China keine Mopeds über 200 cm³, eigentlich, ausser eben nachts auf der Autobahn. Ich fahre über Häuser telephonierend im Dunkeln die Autobahn entlang, während mich rechts und links die Mopeds überholen, offensichtlich brauchen sie kein Pace Car. Und dann gipfelt das ganze in einem neuen Vorschlag: wenn ich am Sonntag 10.000 RMB in Cash hinterlege, ist das Haus meins! Vielleicht liegt’s an der Geisterstunde. Dass ich das für einen absurden Vorschlag halte, schreckt sie nicht ab, erst als ich ihr erkläre, dass es technisch unmöglich ist, diese Summe in 2 Tagen am Wochenende als Cash bereitzustellen, knickt sie in ihrer Position ein (ehrlicherweise: das stimmt gar nicht).

05.06.2012 – es kann einfach nicht alles klappen

Donnerstag, 28.06.2012

Es gibt halt so Tage. Die Stimmung schwankt zwischen angespannt, gereizt und genervt. Und dann sind einfache Situationen wie ‚im Restaurant ist leider kein Tisch frei‘ oder ‚hier gibt es kein Sprite‘ plötzlich gar nicht mehr so simpel. Wie man es auch dreht, wir überlegen, wie wir unsere Suche in den verbleibenden vier Tagen bis zum Heimflug zum Abschluss bringen können. Nachdem wir inzwischen sicher 40 Häuser angesehen haben, ist die realistische Einschätzung gedämpft, und dann wirken sich Alltagsstörungen auf einmal empfindlich aus.

Aber, Tanznudeln hellen die Stimmung auf! Meine Tochter hat ein neues Lieblingsessen: getanzte Nudeln, macht deutlich mehr her als geschabte Spätzle. Man bekommt einen Topf kochender Brühe, gart sich darin was auch immer man möchte, und wenn man fertig ist, dann geht’s los: Aufgrund der weiblichen Überzahl an unserem Tisch kommt ein junger Mann (man kann nicht alles haben), nimmt ein Stück Teig in die Hand, und macht daraus zu einer chinesischen Interpretation von Schwanensee (oder so ähnlich) eine 4 m lange Nudel. Und die landet dann im Topf. Sie zu essen ist ähnlich schwierig wie vorher die Versuche, das hineingeworfene wieder rauszufischen (wer zuerst sein Stück Brot verloren hat, der wird bestraft!). Macht viel her, und die getanzte Nudel schmeckt nicht schlecht.

03.06.2012 – mit der Company zum Outing

Donnerstag, 28.06.2012

2 Tage, 300 chinesische Kollegen, 7 Busse. Es gibt doch keinen besseren Start für die Familie in China als ein Company Outing! 3 Stunden radeln rund um den West Lake von Hangzhou, schliesslich sind wir fahrraderprobt. Und während in China jeder endlich vom Fahrrad auf’s Auto umsteigen will, wollen wir ja immer Fahrrad- statt Autofahren!? Mit ein bisschen Mehr Zeit ist es auf jeden Fall Wert, nochmal dahin zu fahren, diesmal schaffen wir nur 1/3, schliesslich muss eine Kaffeepause auch noch drin sein. Teilweise sind die Wege für Radler und Fussgänger abgesperrt, sonst bleibt einem nur übrig, mit stoischer Ruhe durch den Verkehr zu fahren: immer cool bleiben. Übrigens sind es wie immer typisch asiatische Fahrräder: da man lieber mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht, sind die Sättel grundsätzlich auf Minimalhöhe. Wenn man gut aufpasst, haut man sich wenigstens das Kinn nicht am Knie an.

Der Abend endet mit einem Essen und dann, wie soll es auch anders sein, mit Yellow Submarine! Genau: Karaoke! Unsere Kollegen finden es super, es gibt 6 angemietete Karaokeräume, in die sie sich gruppenweise zurückziehen und einen Super-Abend verbringen. Und die Expats? Erst ein paar Qingdao trinken, dann allen Mut zusammennehmen, hoffen dass keiner hinhört, und auf geht’s. Ich bin immer noch froh, wenn der Kelch an mir vorübergeht, meine Assimilation schreitet hier langsam voran. Und dann habe ich es doch probiert, leider ist nach einer Strophe der Rechner abgestürzt. Sollte das ein Zeichen sein? Oder war es einfach nur Windows?

04.06.2012 – und wieder nix

Donnerstag, 28.06.2012

Der zweite Tag des Outings: eine Mischung aus Wandern und Sightseeing in den Mogan Mountains, zu Maos Zeiten ein Naherholungszentrum mit vielen Häusern im Bambuswald, ziemlich feucht, allerdings aufgrund der Höhe kühler als ‚unten‘, und das war zu Zeiten ohne Klimaanlage viel wert. Mit der Kulturevolution sind in den 70ern die Touristen ausgeblieben, jetzt sind es viele versteckte Häuser im Wald, die einen verlassenen Eindruck machen. Scheinbar wird versucht, den Tourismus wieder zum Leben zu erwecken. Ich würde sagen, das Potential ist da, es könnte aber noch ein wenig dauern.

Und Mittag dann der Dämpfer: das Wunschhaus ist weg, hätte ich mit dem Nachfragen nicht bis zum Tagesende warten können? Warum? Wie immer, jemand hat mehr geboten; und die Nummer 2 ist auch weg, sie wird jetzt verkauft. Wozu schafft man sich ein Backup, wenn es dann einfach verkauft wird?

Wie wir es auch drehen, es fehlen Häuser, die wir zahlen können, die Vermieter richten sich einfach nicht nach unseren Mitteln. Die Stimmung sinkt stetig und nähert sich unaufhaltsam dem Tiefpunkt. Wir hatten uns schon ausgemalt, wie wir darin wohnen werden; dabei soll man doch sein Herz nicht an materielle Dinge hängen. Ich habe, glaube ich, inzwischen einen ganz guten Marktüberblick, der nichts gutes für die weitere Suche verheisst. Die Mädels stellen viele Fragen, wie es jetzt weiter geht, es hilft nur weitersuchen. Immerhin daddeln sie auf der Heimfahrt auf den Smartphones rum, das lenkt ab. Ich habe zwar auch eins, aber sie haben die besseren Spiele – schade.

29.05.2012 – House Hunting nochmal 2 Tage

Donnerstag, 28.06.2012

Der Plan war ja so einfach wie bestechend: ich sortiere vor, nehme das Beste vom Besten, präsentiere es meiner Familie, und schon sind wir fertig. Im Prinzip ja, aber… Es gibt ein zweites Naturgesetz, das ich unterschätzt habe: die Qualität der Angebote steigt mit der Zeit, allerdings mit niedrigem Gradient. Und ich war auf der nach unten offenen Skala schlicht nicht weit genug: D.h. ich bin über das Niveau feuchte Wände, sich lösende Tapeten, Schimmel hinterm Vorhang und am Fenster, gammelige Bäder oder schlicht heruntergekommen dreckig nicht wirklich hinausgekommen. Nachdem wir das Stadium pflichtbewusst absolviert haben, bessert sich das Angebot zusehends, allerdings komischerweise auch der Preis, frei nach Obelix: die Preise fliegen mit dem Markt (und mit Blick auf den Wechselkurs: Sexterz nichts mehr wert sein). Dennoch: Am Schluss sind wir bei zwei Wunschhäusern angekommen, die beide zur Preisklasse ‚ordentlich‘ gehören, frei nach dem nächsten blöden Spruch: was nix kost‘ taugt nix.

Woran liegt’s? Der Hausmarkt rund um die deutsche Schule ist sehr speziell, das Angebot ist begrenzt, alle wollen da hin, und gerade jetzt geben sich die Suchenden dort die Klinke in die Hand. Und mit den Häusern ist es wie mit den Pflegeplätzen im Altenheim: der Preis richtet sich nicht nach dem Wert des Hauses, sondern nach dem Budget der Firmen. Und es gibt immer noch hohe Budgets, vielleicht von griechischen Firmen, die die Preise kaputtmachen: Sesterz nix mehr wert sein! Aber nutzt ja alles nix, also einmal schlucken und wir legen unser Wunschhaus fest. Deal geritzt, nur noch den Vertrag, mission accomplished.

27.05.2012 – die Familie ist da

Donnerstag, 28.06.2012

Nach 2 Monaten ist es endlich soweit, ein Hoch auf den Erfinder des Familienzusammenführungsflugs (klingt ein bisschen wie die Story meines Grossvaters zum Kriegsende: der Zuzug)! Bewaffnet mit einem Namensschild stelle ich mich in die Riege der Fahrer für Volvo, BASF, Conti, und wer sonst noch so alles da ist, und warte auf das Erscheinen der drei Mädels. Für den 12 h Ecoflug sehen sie ganz entspannt und fit aus, alle Achtung.