Berichte von 11/2012

25.11.2012 – einfach nur Sonntag

Sonntag, 25.11.2012

Heute etwas später aufgestanden, weil wir einer Besucherin aus Deutschland (von Freunden, nicht von uns) das echte Shanghai gezeigt haben. Und zwar echt im Sinne von Expat echt! Wir waren erst im South Beauty, nein, das ist keine Schönheitsfarm, sondern eine Restaurantkette mit einem direkt am Bund auf der Pudongseite. D.h. man sieht genau auf den Bund, wenn man rechtzeitig einen Platz am Fenster reserviert, und mindestens 300 Ohren pro Nase in Essen umsetzt. Und danach, denn auch der Laden ist ab 8 Uhr fast und ab halb 9 völlig leer, in der French Concession in einer Sportsbar: 5:0 Bayern gegen Hannover schauen und Bier trinken, neben bei Billiard spielen. Das ist in der 23 Millionenstadt eine fast chinesenfreie Zone, wenn man von ein paar, aber wirklich nur ein paar, Mädels absieht. Unsere Mädels sind dann samt Besuch auch woanders hin gegangen.

Mein Moped konnte ich heute nicht begutachten, der Händler war wieder mal nicht erreichbar. Vielleicht nächstes Wochenende.

Somit sind wir mehr oder weniger zu Hause im und in den Compounds geblieben, ich war Laufen, deshalb die Mehrzahl, wer will schon auf der Strasse laufen, und wir waren in Lakeside bei einer Weinprobe (stimmt: schon wieder!). Beim Laufen durch die Compounds fällt mir immer der Spruch meiner Kinder ein: entweder sehen die Compounds aus wie Center Parks oder wie ein Campingplatz, abhängig von Alter und Qualität der Häuser, die sich um das Clubhaus sammeln. Als ich nach dem Laufen Duschen war, bei 16°C und 80% Luftfeuchtigkeit in unserem Bad, war’s eher das Campingplatzfeeling, obwohl unser Compound wegen des genau einen Haustyps, der da rumsteht, eher nach Center Parks aussieht. Es gibt einen Compound, der sieht ein wenig wie ein Dorf aus, und einen mit Palästen. Dort wohnen nur Chinesen, vorm Haus stehen dann 3 Autos der Güte Porsche, Mercedes oder Range Rover. Vor den Expat Häusern stehen meist keine Autos, viele haben keinen Führerschein, das Auto ist mit dem Fahrer weg. Nicht, weil der Führerschein so schwierig ist, wir erinnern uns an die 1.315 Fragen, sondern weil viele Firmen das Selberfahren und den Führerschein verbieten.

Und wenn wir schon mal beim Expat-Dasein sind, sind wir eben auch zur französischen Wein- und Käseprobe gegangen. Ein Franzose hat in Lakeside (Center Parks) den Laden aufgekauft und macht jetzt ein wenig Promotion. Und da deutsche, französische und schweizer Expats immer ihren eutopäischen Sitten nachtrauern, stürzt sich sofort der ganze Schwarm auf dieses Ereignis und verfällt in einen kleinen Kaufrausch. Auch eine Form der Schwarmintelligenz. Ich habe mich für den Barolo entschieden, den er aus Versehen dabei hatte (nix französischer Wein). Und ab 6 Flaschen war es billiger. So langsam kommen wir über den Winter mit unserem Garagenbestand.

Diesmal Foto des Tages: Neben Range Rovern und Cayenne gibt es noch den Holz-Handkarren. Etwas unscharf, Beschwerden an Steve Jobs.

25.11.2012 – 18.000 Meilen später

Sonntag, 25.11.2012

Ich bin wieder daheim. Innerhalb von 60 h bin ich 17.000 Meilen = 23 h geflogen, 550 km Auto gefahren, und war rechtzeitig zur Beerdigung in Regensburg. Es ist nicht so einfach, sich dann voll und ganz auf den Anlass zu konzentrieren. Der Anlass war wie jede Beerdigung traurig, das Ereignis angespannt und anstrengend. Die dabei waren, wissen warum, sozusagen ein Insider. Und damit will ich das Thema hier abschliessen.

Danach war ich ein paar Tage im Land der Perfektion. Es scheint nachzulassen, der Bus kam 3 Minuten zu spät. Das ist aber kein Grund, nicht das gesamte Programm durchzuziehen: Erst müssen sich alle ordentlich an einer Linie aufstellen, dann werden die Koffer eine Linie vorgerollt. Jetzt bekommt, jeder, und zwar einer nach dem anderen, seine persönliche Gepäckmarke an den Koffer, der Kofferkuli bedankt sich umfassend, dann wird eingestiegen. Dauert bei 10 Leuten ein bisschen, aber Prozesse sind einzuhalten.

Japan ist immer nett, das Essen immer hochwertig, die Organisation immer perfekt, und die Menschen immer kompliziert. Ich weiss, bloss keine Verallgemeinerungen, die Verbindung von Perfektion, Stolz und Eigensinn ist schwierig. Sieht man sich die japanische Geschichte an, versteht man einen Teil: Bis Ende 19. Jahrhundert war Japan absichtlich vom Rest der Welt abgeschlossen. Bis der Kaiser beschlossen hat, dass sein Land so nicht weiterkommt und die Öffnung verordnet hat. Das ist vermutlich das Besinnen auf die eigene Stärke und die Tendenz, Ausländer kritisch zu sehen.

Heute zum Schluss: Das Foto of the Day. Ich versuch mal, per Fon Alltagsfotos zu schiessen und hier einzustellen. Vielleicht mal für ein paar Wochen, auf jeden Fall nicht täglich. Diesmal: Das Wetter ist gut, wir haben Sonne bei 8 bis 12°C, und da kann man die Wäsche prima draussen trocknen. Und warum nicht auf einer Leine zwischen den Bäumen am Strassenrand?

Foto of the day 24.11.12

17.11.2012 – Sport ist Mord

Samstag, 17.11.2012

Das Leben geht weiter, diese Woche hatte ich genug Ablenkung, so dass es wenig Zeit gab, den Gedanken nachzuhängen. Einerseits ist das schade, andererseits ist es vielleicht auch besser. Es hilft, dass wir uns verabschiedet haben und es nichts gibt, das offen geblieben ist.

Ich habe eine neue App. Ich weiss, ist nichts neues, haben alle: Sie zeigt auf Fingertip immer eine 3-stellige Zahl! Nämlich den PM 2,5 AQI (Air Quality Index) an der amerikanischen Botschaft, wer Interesse hat: http://shanghai.usembassy-china.org.cn/airmonitor.html. Wer will, kann bei Wikipedia nachsehen, es werden PM 2,5 Partikel gemessen, das sind die, die man als lungengängig bezeichnet. Da das Ganze eine Einbahnstrasse ist, d.h. rein ja, raus nie mehr wieder, gelten diese als besonders schädlich, quasi wie Rauchen. Deshalb wird der Dieselruss so verteufelt. Der Messwert wird mit ein paar anderen verwurschtelt und gibt dann den Index. Es ist ganz einfach, je höher desto schlimmer. Natuerlich gilt der amerikanische Wert nur auf dem Hof der Botschaft, überall sonst gilt der der Wert der chinesischen Umweltbehörde: http://english.mep.gov.cn/. Heute Mittag war mir einfach nach Laufen, schliesslich ist in 2 Wochen der Halbmarathon, und ausserdem hilft Laufen beim Abbau der Anspannung und bietet die Chance, mal ein wenig die Gedanken schweifen zu lassen. Und davon hatte ich diese Woche wirklich genug, und die naechste wird auch nicht besser. Inzwischen bin ich iPhone-adicted, d.h. ich mache fast nix mehr ohne, auch nicht Laufen. Ich kann also zwischen 2 Apps wählen, entweder ich tippe auf die AQI App, sehe 232 (übersetzt heisst das very unhealthy, healthy geht bis 30) und lasse es bleiben, oder ich tippe auf die runtastic App, sehe mein völlig unzureichendes Training, und laufe los. Heute habe ich mich entschieden, lieber den Werten der chinesischen Behörde zu glauben (76) und bin gelaufen. Aber man kann es drehen wie man will, es macht nur halb so viel Spass.

Mein Training habe ich mindestens verdoppelt, ich sitze jetzt nur noch 1 Woche rum und laufe dann 11 km. Aber wer 11 km ohne Training laufen kann, kann auch 21 km ohne Training.

Das Moped nimmt weiter Formen an. Ich war heute wieder da, die diskutierten Teile sind tatsächlich umlackiert, nächsten Samstag ist die Probefahrt angesagt (dann steigt der AQI um mindestens 20!). Und die Farbe hat sogar den Segen meiner Tochter! Mit ein bisschen Glück bekomme ich es noch dieses Jahr! Sozusagen zu Weihnachten. Dann weiss ich wenigstens, warum ich dableibe und nicht wie alle anderen heimfliege. Aber das hatte ich sowieso nicht vor.

Und so zum Abschluss: ohne hochmütig zu sein, kann ich denke ich sagen, dass Wartung nicht die beste Disziplin hier in China ist. Unsere Heizung ist permanent kaputt, aber der Landlord hat uns beruhigt: man muss nur die Reset-Taste drücken, schon geht es wieder eine Weile. Also drücken wir fleissig die Reset Taste. Es ist ein bisschen wie damals bei meiner Oma oder auf den Skihütten: einer muss sich erbarmen und in der Früh aus dem warmen Bett ins kalte Haus: nicht um das Feuer anzumachen, sondern um die Reset Taste zu drücken. Es kommt dauernd der Worker, Samstag und Sonntag, früh und nachts, er kann problemlos an die Heizung, da die Tür auch kaputt ist und nicht mehr abgesperrt werden kann! Und das alles habe ich jedesmal beim Fliegen im Kopf. Ob die Flugzeuge genauso wie unsere Heizung, unsere Klimaananlage, die Autos, die Fenster im Büro oder andere Einrichtungen gewartet werden? Auf dem letzten Flug habe ich fasziniert die abfallende Dichtung an der Tragfläche während des Flugs betrachtet, s. Foto. Ich glaube, weitere Details will ich gar nicht wissen.

Heute Abend mache ich mich auf, zur Beerdigung zu fliegen (deutsche Airline), das wird ganz und gar nicht entspannt.

 

13.11.2012 – Der Blog hat heute Pause

Donnerstag, 15.11.2012

Am Sonntag fliege ich für einen Tag zur Beerdigung nach Deutschland, danach nach Japan. Wenn ich wieder zu Hause bin, schreibe ich weiter.

13.11.2012 – Abschied endgültig

Donnerstag, 15.11.2012

Heute gibt es keine amüsante Geschichte zu erzählen. Ich war auf dem Weg in den Süden, und habe in der Früh beim Frühstück am Flughafen mal eben meine Mails durchgesehen: Meine Grossmutter ist gestern Mittag in Deutschland gestorben. Was heisst das für meinen Tag – nichts. Ich fliege, führe die Gespräche und werfe die Powerpoints an die Wand. Es ist absurd, aber Umdrehen und wieder Heimfahren macht auch keinen Sinn. Den Abend verbringe ich mit 4 Chinesen, die sich mangels englischer Sprachkenntnisse auf Chinesisch unterhalten, und versuche, nicht so viel wie der Rest zu trinken. Was für ein Tag.

Gleichzeitig versuche ich per Telefon mit Hilfe meiner Assistentin einen Flug nach Deutschland zur Beerdigung zu bekommen, bis sie mir erzählt, dass gestern ihr 36 Jahre alter Verwandter bei einem Autounfall gestorben ist. Das war das Abbruchkriterium für heute.

Ich werde meine Grossmutter sehr vermissen, sie ist sehr alt geworden und am Lauf der Zeit kommt keiner vorbei. Glücklicherweise hatte ich die Chance, mich vor zwei Wochen von ihr zu verabschieden.

 

11.11.2012 – Moped und Heizung im Bau

Sonntag, 11.11.2012

Heute ist Faschingsanfang, also bin ich mal wieder bei dem Mopedhändler meines Vertrauens vorbeigefahren, allerdings nicht um 11:11 Uhr. Und siehe da, es tut sich was. Es gibt tatsächlich etwas, das wie ein Motorrad aussieht und angeblich meins sein/werden soll. Zwar stimmt die Farbe nur cha bu duo, und einige mindestens unkonventionelle Lösungen gibt es auch, aber es steht schon auf den eigenen drei Rädern. Jetzt wird nochmal um- und nachlackiert, und in der nächsten Woche soll es tatsächlich schon fahren! Ich bin gespannt.

Zu Hause kam’s wie es kommen musste, nach immerhin zwei Tage Betrieb war die Heizung defekt. Beim genauen Hinsehen haben wir gar keine Heizung. Wir haben 2 Warmwassererzeuger. Einer ist für den Warmwasserspeicher und das Erdgeschoss zuständig, der andere für den 1. Stock. Ersterer war ja über einen Zeitraum von 2 Monaten alle paar Tage hin, jetzt darf der zweite die Hauptrolle spielen. Heute Abend um 7 sollte wieder einer kommen, der dran rumbastelt, bis jetzt (9 Uhr) war noch keiner da. Langsam verlieren wir auch die Kontrolle über die Aktionen hier. Die ‚Heizung‘ hängt quasi aussen am Haus. Da sie wohl mal eingefroren ist, wurde eine Art Haus ans Haus gebaut, samt Tür. Die aber lässt sich nicht mehr schliessen, daher haben wir sie von innen mit einem Fahrradschloss gesichert. War wohl nicht so effektiv, es kommt immer wieder einer vorbei, macht die Tür von aussen auf und tut irgendwas. Wir bekommen es nur mit, weil die Heizung mal plötzlich aus ist, oder die Tür auf ist, oder einer vor einem steht, wenn man nichts ahnend zur Waschmaschine geht. Zumindest waren bis jetzt alle friedlich.

Ich geh‘ nachher auf jeden Fall ins Bett, angeblich soll man ja in kühlen Schlafzimmern besonders gut schlafen. Und 15°C ist schon kühl, zum Glück habe ich meinen Schlafsack dabei. Eklig ist nur das 15°C Bad in der Früh, da friert gefühlt der Rasierschaum ein.

10.11.2012 – Quark

Sonntag, 11.11.2012

Nichts ist wertvoller als Information, besonders heiss gehandelt wird ‚wo gibt es gerade westliche Lebensmittel‘. Diese Woche im Umlauf: beim Carrefour gibt es Quark! Der Geheimtip unter den Expatmüttern, die sich sofort in Buick-Karawanen aufmachen und in kleinen Stosstrupps die Kühlregale erobern. Und tatsächlich, es gibt frischen, echten Quark. Wir haben trotzdem keinen, warum? Nicht, weil wir im Nahkampf unterlegen waren, nach ein paar Wochen Metro-fahren ist ein Kühlregal keine wirkliche Herausforderung mehr. Nein, der simple Grund ist: das Pfund kostet schlappe 65 RMB, das sind grob 8 €. Zu Hause liegt der aktuelle Spotmarktpreis bei 79 Cent. Gestern Abend waren wir eingeladen, und es gab tatsächlich ein Quark-Dessert. Das Essgefühl ist vermutlich das gleiche, wenn man zu Wohlfahrt in die Traube in Tonbach geht. Handbezahlter Quark direkt vom Importeur.

09.11.2012 – Nix für Warmduscher

Freitag, 09.11.2012

Erst mal ein paar Infos: gerade kommt in SWR3 (Mittagssendung), dass lt. OECD China die USA in 2 Jahren als stärkste Wirtschaftsmacht ablösen wird. Im Moment tagt der Parteikongress in Peking, um den Nachfolger zu wählen, die Partei hat 82,6 Mio. Mitglieder, mehr als Deutschland Einwohner, worauf die Tageszeitung explizit hinweist. Das Nummernschild in Shanghai kostet jetzt 66.000 RMB, für Elektroautos ist es ab jetzt umsonst. Und der RMB steht wieder unter 8!

Auf den Strassen im Gewerbegebiet in Jiading wird wieder Reis getrocknet, und wie immer, die halbe Strasse gehört den Bauern. Auch wenn niemand im Verkehr an Regeln hält, zumindest nicht an für Europäer nachvollziehbare, es ist ein ungeschriebenes Gesetz: man fährt nicht über den Reis! Beim ersten Mal wusste ich nicht mal, was das war, jetzt ist es ein alter Hut. Kaum 8 Monate in Shanghai, und schon der Profi!

Es wird Winter, typisches Novemberwetter. Noch sind die Temperaturen 2-stellig, aber 12°C ist auch schon ungemütlich, vor allem ohne Heizung. Denn die muss erst der Handwerker in Betrieb nehmen, den der Vermieter besorgen muss, der gerade in Litauen ist! Also haben wir 3 Tage bei 17°C im Haus verbracht, was soll’s, nach dem Krieg ging’s ja auch. Und wir sind nicht die einzigen. Zwei meiner Kollegen leben unter ähnlichen Bedingungen, bei unseren Bekannten funktioniert die Heizung, sie sitzen jetzt im Top am Schreibtisch und schwitzen bei 28°C, in einem Haus ist der Boden ohne Schuhe nicht mehr zu betreten (Fussbodenheizung!). Und eine befreundete Familie weiss jetzt, dass es durch fingerdicke Spalte in das Haus zieht. Es ist schon komisch, dass aus Alltagsdingen wie Licht, warmes Wasser und Heizen immer Stories werden. Wie langweilig war doch unsere Heizung zu Hause, sie hat einfach funktioniert.

Gestern war der erste Stock dunkel. Eigentlich wollten wir nur das Licht im Bad anmachen. Die super stimmungsvolle indirekte Beleuchtung über der Badewanne flackerte noch kurz, hat dann einen brenzlichen Geruch verbreitet, und dann war’s duster. Wie New York. Weiss einer, wo die Sicherung ist? Wir haben sie gefunden, aber die Lampe ist so verbastelt, dass ich keine Ahnung habe, ob uns die Hütte demnächst abbrennt oder nicht.

Unser Vermieter ist aus Litauen zurück, der Handwerker war da, und es wird warm. Super angenehm, es regnet jetzt andauernd, und nasskalt ohne Heizung wäre eine echte Prüfung. Zum Abschluss habe ich ihn gefragt, was er in Litauen gemacht hat: er importiert Lebensmittel nach China, und Litauen ist billig. Und: er importiert auch Wein aus Italien und Spanien, bingo, beim nächsten Mal bekomme ich eine Liste!

Zum Abschluss: Mein Fahrer benimmt sich verdächtig. Erst hat er sich einen Anzug gekauft, den er tageweise trägt, ich habe ihn erst gar nicht erkannt. Jetzt war er sogar beim Friseur. Ich vermute mal, er hat Bewerbungsgespräche, zu denen er vermutlich mit meinem Auto fährt. Mal sehen, wie sich das entwickelt. Ich habe seine Tankrechnungen nachgerechnet, ich glaube, das ist ihm als typisch Laowei auf die Nerven gegangen.

03.11.2012 – In vino veritas

Freitag, 09.11.2012

Lebenswichtige Betriebsstoffe sind in Shanghai schlicht teuer, wie Käse, Butter, vernünftiger Schinken (ja ich weiss, typisch Expat, aber wer will schon früh, mittags und abends Reis essen) und natürlich: Wein. Zumindest wenn man Greatwall nicht mag. Das ist nicht nur eine Automarke, die gar nicht so schlecht ist, zumindest besser als BYD = Build your Dreams (!), sondern auch eine Weinmarke. Ich hab’s zweimal probiert, und endgültig damit abgeschlossen, die Kopfschmerzen am nächsten Tag waren zu schlimm. Also bleibt nur der Griff zu Australien, Neuseeland, Südafrika etc, und da geht unter 10 € einfach nix. Und ich meine immer noch, dass eine Flasche normaler Wein nicht unbedingt 12 bis 15 € kosten muss. Aber: es gibt die Rettung, die Carrefour (chin: Calleful) Weinaktion. Zu einem Zeitpunkt, der ähnlich mysteriös ist wie die Wahl des neuen Premierministers, machen die 20 Carrefour (ich habe nicht gezählt, aber es sind mehr als 5) hintereinander eine x%-off Weinaktion. Und auf einmal die Insiderinformation: jetzt! Und ‚jetzt‘ bedeutet ein Riesenzelt vor dem Carrefour, der sich in einem Breuningerland-grossen Gebäude befindet, zusammen mit dem Mediamarkt, Pizza Hut, sonstigen Läden und Restaurants, und einem Baumarkt, dazu später.

Im Zelt warten rund 2.000 Flaschen und ebensoviele VerkäuferInnen, französische und chinesische, auf das willige Opfer. Ich hasse Fake Markets, und das ist genauso. Anscheinend werden die Jungs und Mädels auf Provisionsbasis bezahlt, und kämpfen mit allen Mitteln um Dein Geld. Selbst die marokkanische Methode war erfolglos: nimm Dir zu Beginn einen der Schlepper, er hält Dir wenigstens die anderen vom Leib. Während wir bei einer den Wein probiert haben, haben uns ungeniert mindestens 2 weitere mit Flaschen in der Hand gefragt, ob wir nicht auch hier und dort…, bis sich die Mädels untereinander in die Haare gekommen sind. Und egal was, es gibt 20 bis 30% off, und natürlich, buy 5, 4, 3 and get one free. Wir haben uns ein wenig unbeliebt gemacht, da wir nicht so richtig an den 250 RMB Wein- und 800 RMB Champagnerflaschen interessiert waren.

Das Probieren war auch interessant, selbst die Franzosen, die ja angeblich schon als Weinexperten geboren werden, drehen einem zum Probieren korkige oder bereits seit 1 Tag offene Flaschen an und fragen dann mit Expertenmiene, wie der grauenhafte Supertropfen denn so ist. Egal, am Schluss war der Buick nicht ganz, aber doch ein bisschen voll, und jetzt haben wir genug Stoff für den kalten Winter in der Garage! Müssen wir aber bis zum Frühjahr austrinken, denn im Sommer ist unsere 40°C warme Garage kein professioneller Lagerplatz.

Ach ja, im Baumarkt waren wir auch, wir brauchen nämlich Türdichtungen. Der Winter naht, und unsere schicke chinesische Haustür hat zwar echt dicke Bretter, aber leider einfach aneinandergereiht. Man kann prima durchsehen. Gibt es alles, wie zu Hause, nur die Akkuschrauber sind sagenhaft billig. Und die Stimmung ist auch wie zu Hause: lauter deutsche Väter, die auf der Suche nach irgendwas planlos durch die Gänge irren, ein typischer Samstag Vormittag halt, nur sind es 20 Väter und nicht 200.

31.10.2012 – Rosinenbomber

Sonntag, 04.11.2012

Stimmt nicht ganz, eher Schokoladenbomber. Ich war 10 Tage in Europa, und was gibt mir meine Familie mit? Nein, kein Foto oder eine nette Karte, oder die Bitte mal anzurufen: einen Einkaufszettel. Also habe ich meinen auf dem Hinflug leeren Koffer mit Backzutaten, Schokolade, Literatur und übrigens einem neuen Laptop gefüllt. Hoffentlich muss ich das jetzt nicht jedesmal machen. Verschätzt habe ich mich dann am Schluss, es waren schlappe 29 kg, dabei wären 32 drin gewesen.

Übrigens war ich in Europa trotz aller guten Vorsätze kein einziges Mal Laufen. Ich wollte ja unbedingt mal wieder in sauberer Luft laufen, quasi als Frischzellenkur. Womit ich nicht gerechnet habe: Schnee und Temperaturen um die 0°C, ich hatte nur kurzes Zeug dabei. Hinterher wusste ich, warum das Madl von der Mietwagenfirma darauf hingewiesen hat, dass das Auto keine Winterreifen hat, ich hatte das für einen schlechten Scherz gehalten. Langsam werden meine Laufschuhe die meistgeflogenen auf der Welt, d.h. eine hohe Streckenleistung ohne jeden Sohlenverbrauch.

Antrieb ist der Shanghai Halbmarathon, zu dem ich mich jetzt endlich angemeldet habe. Eigentlich geht das ganz einfach, man kann sogar mit PayPal bezahlen, wenn man sich nicht wie ich 3 Tage nach Anmeldebeginn auf die Homepage wagt: Quota exceeded! Offensichtlich sind nur 3.000 der 10.000 Plätze online buchbar, dann geht es nur noch persönlich. Ich habe deshalb meinen kettenrauchenden Fahrer mit meinem Pass hingeschickt, er musste nur Zahlen und versichern, dass ich kerngesund bin, schon war es erledigt. Zum Glück hat er mittendrin nochmal angerufen, er wollte mich nämlich für die Volldistanz anmelden!

Inzwischen trainiere ich regelmässig: 2 Wochen sitze ich in Besprechungen, Flugzeugen und Autos, dann laufe ich 8 km, dann sitze ich wieder 2 Wochen … Perfekte Voraussetzungen für einen prima Lauf. Jetzt habe ich noch 4 Wochen Zeit, vielleicht kann ich im Endspurt jede Woche mal Laufen.

Mein Bekannter hat jetzt beschlossen, ganz aufzuhören. Angeblich kennt er viele Geschichten von Russ- und Raucherlungen unter Läufern in Shanghai, und jeder zweite soll danach an Lungenkrebs sterben. Das Kratzen im Hals während des Laufens kann ich bestätigen, aber übertreiben muss man es ja nicht. Ich betrachte das mal als Risikosbschätzung: ist es gesünder ohne oder mit Laufen?

04.11.2012 – GC10QZ6

Sonntag, 04.11.2012

Ein fast perfekter Sonntag. Inzwischen ist es hier kalt, und ich meine: kalt. Nachts sind es 12°C, tags je nach Wetter und Dunstschicht (oder Russschicht?) um die 20°C. Erst habe ich verschlafen, und bin um halb elf aufgewacht, zu dumm, dass die Zeitverschiebung jetzt 7 h sind, es dauert wieder ein paar Tage, bis mein Körper verstanden hat, wo er ist. Mein iPhone kann das schneller. Laufen war damit nix mehr, und dabei war das Wetter so toll: es hat die ganze Nacht geschüttet, jetzt war der Himmel blau und perfekt sauber gewaschen – schade.

Wir haben uns für heute was Neues ausgesucht: wir haben unseren ersten Cache gemacht, d.h. wir sind unter die Geocacher gegangen. Ein Kollege aus Deutschland hat mich draufgebracht, es gibt 32 Caches in Shanghai. Also im Internet anmelden, den Motorrad Garmin geschnappt, und los geht’s. Vom Yu Garden über den Fluss nach Pudong, und wir haben ihn gefunden! Natürlich mussten wir uns gleich verewigen! Offiziell heisst er GC10QZ6 Past and Present Shanghai – Revolutions. Für unsere Beginnertour war es klasse, prima Wetter, da macht der Bund einen Riesenspass, und am Schluss noch Erfolg gehabt. Somit bestätigt sich der Kauf meines Garmins erneut, auch wenn ich damit nicht mehr Motorrad fahre.

Zur Belohnung wollten wir dann im Paulaner Biergarten am Fluss Abendessen, jedoch: drinnen nur mit Reservierung, und für draussen ist es im November in Shanghai schon zu kalt. Also sind wir zum Australier gegangen, ist ja fast das gleiche, beide Länder liegen im Süden, verkaufen Bier, und ob Schweinebraten oder Emu, macht wenig Unterschied.

Heute habe ich meinen ersten Strafzettel bekommen. Ich habe das Auto einfach am Strassenrand abgestellt, zwischen ein paar andere. Es war eine ungünstige Stelle, aber schliesslich gibt es ja nicht wirklich Regeln. Als wir zurückgekommen sind, stand das Auto ein paar Meter weiter vorn mit einem dicken Zettel an der Scheibe. Mal sehen, was es kostet, steht nämlich nicht drauf, ich schätze mal 200 RMB, laut Führerscheinprüfung kostet sowas zwischen 20 und 200, und komischerweise sind es immer 200 RMB. Mein Fahrer wird sich freuen, endlich mal nicht er. Schleierhaft ist mir, wie sie das Auto bei gesperrtem Getriebe (Automatik in P) nach vorne bewegt haben, ich glaub, ich will es gar nicht wissen.

08.10.12 – Yunnan Nachlese

Sonntag, 04.11.2012

Die einzelnen Stationen habe ich schon aufgelistet, hier noch ein paar Gedanken im Nachgang.

Von den vielen Autos um uns herum waren rund ein Drittel ohne Nummernschild. Erst habe ich das als Normalzustand auf dem Land eingeordnet, stimmt aber gar nicht, das sind die neuen Autos. Man kann anscheinend das Auto kaufen und Losfahren, das Schild kommt später. Das gibt es auch in den USA, bei uns wäre man sofort grichtsmassig!

Viele Familien, das fällt einem nach einiger Zeit sofort ins Auge, haben 2 oder 3 Kinder. Vermutlich sind das Angehörige offiziell anerkannter Minderheiten, sie dürfen mehr als ein Kind haben. Sonst muss man reich sein, ein zweites Kind kostet ein bis zwei durchschnittliches Jahresgehälter Strafe, die Regelung schwankt von Provinz zu Provinz. Also nicht das eigene, sondern ein durchschnittliches Gehalt, mit einem Aufschlag für Besserverdienende. Das dritte Kind heisst dann einfach das dreifache Gehalt, und so weiter. Derzeit läuft die Diskussion, wie das in Zukunft sein soll, die Ein-Kind-Politik hat gewirkt, mit den Konsequenzen in der Altersstruktur. Mit Abstand betrachtet, ist das ein riesiges soziologisches Experiment, in 20 Jahren weiss man dann, wie es ausgegangen sein wird.

Super sind chinesische Hotelzimmer: das Bad ist meist gross und mit einer Glasscheibe vom Raum abgeteilt. Zum Duschen ist es ja ganz lustig, aber wer kann da schon entspannt auf’s Klo gehen? Zwar gibt es einen Vorhang oder Jalousie, die aber mal mehr oder mal weniger ‚abdichten‘, manchmal sind sie auch aussen angebracht. Wenn wir zu viert in einem Zimmer waren, mussten wir echte Verträge auf Vertrauensbasis abschliessen.

Die Abgabe des Leihwagens konnte ich wirklich mit meinem Chinesisch perfekt bewältigen, bis der Vermieter 1.000 RMB einbehalten wollte, da war es aus. Des Rätsels Lösung: die Mietkaution habe ich zurüeckbekommen, aber es bleibt noch ein Pfand für Strafzettel. Das soll ich in 4 Wochen zurückbekommen, wenn ich mich offiziell bestätigt an alle Regeln gehalten habe. Wie weiter oben beschrieben, habe ich logischerweise alle best practise Regeln eingehalten, sollte also kein Problem sein.