Berichte von 09/2015

20.09.2015 – Schwarzer Sonntag

Sonntag, 20.09.2015

Es war Mord, eindeutig. Heute Nacht hat ein Marder, Iltis, Wiesel, was auch immer, unseren Hasen hinterhältig ermordet. Hat sich unter dem Käfig durchgegraben, und dann unserem Tuzi im Gehege die Kehle durchgebissen. Ein Schock für unsere Tochter, es war ihr Hase. Wir haben ihn würdig begraben. Trauriger Tag.

13.09.2015 – Strassenkarte, Touran und Disneyland

Sonntag, 20.09.2015

Nachtrag: für die Mopedtour habe ich eine Strassenkarte gesucht, also meine Assistentin gebeten, mal auf Taobao zu suchen. Strassenkarte? Was ist das, sie konnte damit nichts anfangen. Wie erkläre ich Strassenkarte? Map, street map, es ging ein bisschen hin und her, bis zur Erkenntnis: ist das so wie Google Maps auf einer Seite? Bingo! Auch eine mögliche Umschriebung. Digital native! Es gibt tatsächlich Strassenkarten, gar nicht so schlecht, allerdings mit grossen Massstäben. Immerhin, haben wir beide was gelernt.

Neue Taxis gibt es, das sogenannte Expotaxi, der Touran, kommt wieder. Schon seit ein paar Monaten. Vor zwei Jahren waren sie dem Untergang geweiht, Unterhalt zu teuer: die Ersatzstossstange des Santana kostet 200 RMB, beim Touran 250 RMB. Alle sollten verkauft werden, wollte aber keiner haben. Jetzt gibt es nagelneue, in gelb. Find ich super, da passt eine 4-köpfige Familie samt Gepäck prima rein. Beim Santana geht das fast nie, erstens ist der Kofferraum kleiner, zweitens ist er immer mit Müll jeglicher Art voll, z.B. einem Ersatzgetriebe. Der grösste Vorteil ist: sie sind neu, und damit sauber, der völlige Gegensatz zu 95% der Santanas. Beim ersten Mal war der Fahrer auch richtig stolz auf sein neues Mobil, nur ein bisschen einsilbig, als wir nur zum Flughafen wollten, sind halt nur 35 Kuai.

Und das Shanghai Disneyland eröffnet 2016. Deshalb müssen jetzt rund 150 Firmen in dem Gebiet des Disneylands in Pudong zumachen: laut Shanghai Daily vor allem kleine Firmen, die energetisch ineffizient sind, Abgase ungefiltert in die Luft blasen oder ohne Umweltmassnahmen mit Chemikalien arbeiten, Lackbetriebe zum Beispiel. Eine gute Idee, möchte man meinen, bis man am Ende des Artikels ankommt: sie werden nur an Ort und Stelle zu machen, danach woanders wieder auf.

Und: ich versuche es nochmal und habe mich für den Shanghai Marathon (halbe Strecke) regisitriert. Diesmal erst registrieren, die Auslosung am 21.09. abwarten, und dann entweder zahlen und mitlaufen, oder eben nicht. Abwarten und schon mal trainieren.

03. – 06.09.2015 - 628 km

Donnerstag, 17.09.2015

Die erste richtige Mopedtour, nach mehr als 3 Jahren. Und es wäre nicht China, wenn es einfach so eine Mopedtour wäre.

Erstmal die generalstabsmässige Vorbereitung. Wir brauchen nicht nur die richtige Anzahl Mopeds, wir brauchen auch Führerscheine und einen Schrauber. Wie geht’s? Alles zusammenleihen: 2 Mopeds vom Händler, 1 temporären Führerschein über einen Agenten, und einen Schrauber, damit wir lieber 400 Kuai an Tag zahlen als dauernd rätseln, was nun schon wieder hin ist. Es waren nicht nur Ingenieure dabei, wenn auch überwiegend. In China geht alles über Agenten. Einer meiner jungen Mitarbeiter hat gekündigt und ist Agent geworden, für alles rund um das Auto. Damit verdient er offensichtlich mehr Geld als als schnöder Ingenieur. Vielleicht fordere ich ihn mit meinen Mopedpapieren mal heraus. Soll er zeigen, was er kann.

Der Schrauber fährt also bei einem von uns mit (der traut sich was, würde ich mich mehrfach überlegen), wir zahlen seine Übernachtung und das Essen, und noch ein bisschen Stundenlohn, wenn er schraubt. Dafür stehen wir mit sauberen Händen daneben und geben fachmännische Ratschläge, auf deutsch natürlich, wenn er schraubt. Genau betrachtet ist das ziemlich versnobt, wenn man schon nicht mehr ohne Personal losfahren kann. Hartes Expatleben.

Treffen um 0645, Abfahrt um 7 vor der französischen Bäckerei. So war es geplant. Um die Zeit war das erste Bike schon gestrandet, und der Schrauber hatte Verspätung. Eins der geliehenen Bikes hatte gerade noch die Ausfahrt aus der Hotelgarage geschafft, dann war Schluss. War nur ein zusammengeschmorter Stecker, Kleinigkeit. Kleiner Bypass gelegt, Enden verzwirbelt, erledigt. Immerhin waren wir um 8 unterwegs.

Die Bikes waren eine nette Mischung, 2 schön aufgebaute eigene (ob ich meine dazu zählen soll?), eine ganz gute geliehene, und eine völlig verratzte in wehrmachtsgrau, vermutlich übrig vom Russlandfeldzug. Nicht zu vergessen eine langweilige Jialing, 600er Einzylinder Enduro, erinnert an XT600, die fuhr einfach nur, sowas will ja keiner haben. Geschwindigkeitsmässig passte das gar nicht zusammen, bei der Chang fühlen sich 60 an wie 150, aber unser Kollege hat es mit Fassung getragen.

Der Anfang war die bekannte G318, genau die: Endet in Katmandu. Die geht es 150 km nach Westen, dann einmal nach Süden abbiegen, und schon ist man fast da. Wir waren nicht die einzigen, an solchen Tagen fahren viele nach Westen, Moped und Fahrräder. Für chinesische Verhältnisse eine ganze Menge Mopedgruppen, mit HD, K1600, Burgman, meist Italo-afin: GoPro auf dem Helm, Sozia in Hotpants. Alle grüssen freundlich, hier ist Mopedfahren eine besondere Aktion. Mit uns sind bestimmt 5 weitere Gruppen nach Westen gefahren, wir waren allerdings die einzigen mit den Sidecars. Ist auch logisch, wir waren die einzigen Langnasen, mehr können wir uns nicht leisten. Das Nummernschild für eine HD kostet ein Vielfaches einer Changjiang, inzwischen schlappe 140.000 RMB, teurer als für das Auto.

Nächste Erkenntnis: Moganshan ist eine nette Mopedgegend. Könnte man jedes Wochenende hinfahren, wenn der Schrauber Zeit hat. Man kann durchaus von Bergstrassen reden: schmal, Kehren, Steigung, und 1a Strassenbelag.

Weitere Erkenntnis: für die ersten 200 km haben wir rund 4,5 h gebraucht. Für die letzten 30 km auf den Berg waren es nochmal 4,5 h: chinesischer Feiertag, wir hätten es wissen müssen. Die Strassen sind eng, und die 20 jährigen Mädels wissen nicht, wie breit der Cayenne ist. Dieses Unvermögen gepaart mit dem chinesischen ‚was interessiert mich der andere‘ macht es schwierig. Bei Hinterherfahren ist es nur ätzend, da man dauern aufläuft, aber nicht vorbeikommt (26 gegen 400 PS), bei Gegenverkehr ist es einfach nur gefährlich. Die Bremsen der Chang sind vorhanden, das war’s. Ich war mehrfach kurz davor, mit der Schulter Rückspiegel zu entfernen. Blöderweise ist das Ding halt breit, dann reicht der Platz zwischen Range Rover links und Mauer rechts einfach nicht. Oder aber: Wenn sie uns gesehen haben, fahren sie extra langsam, da alle mit den iPhones Fotos von uns aus dem Auto machen wollen. Wenn sich zwei Autos begegnen, ist es ganz rum. Und das kommt dauernd vor. Da nie rückwärts gefahren, niemandem der Vortritt gelassen und nur das eigene Interesse gewahrt wird, dauert es ewig, bis zwei an einer Engstelle Verkeilte den Knoten gelöst haben. Und die Chang mag weder Stehen, da überhitzt sie gnadenlos, noch dauerndes Berganfahren, da verbrennt die Kupplung. Das stand wohl nicht im Lastenheft für den Russlandfeldzug.

Zu guter Letzt muss man für das Moganshan Gebiet noch eine Eintrittskarte kaufen, und das endet im endgültigen Desaster: Schranke, Kassenhäuschen am Strassenrand. Der erste fährt hin, diskutiert, irgendwann steigt einer aus, latscht zur Kasse, diskutiert erneut, latscht zurück, und fährt, nach etwa 5 Minuten. Dann kommt der nächste. Das haben wir erst spät rausgefunden. Erstmal haben wir und gewundert, warum auf halber Höhe ein Dauerstau beginnt. Die Schlange den Berg hoch war bestimmt 15 km lang. Das Szenario mit Verkeilen, nicht zu vergessen den Schlaumeiern, die links vorbeifahren, bis sie head-on dem Talfahrer gegenüberstehen, ist ein absurd komisches Theater, das dauert, und dauert, und dauert. Schwer, es so zu beschreiben, dass man es sich wirklich vorstellen kann. Vielleicht sollte ich einfach einen furchtbar langatmigen Text schreiben, so war’s.

Und wenn das alles geschafft ist, tötet die Methode, da stehen zu bleiben, wo man gerade möchte, egal ob Auto, Laster oder Reisebus (einschliesslich Gepäck ausladen), die letzte Chance auf ein Vorwärtskommen. Eins der Mopeds ist so überhitzt, dass die Leistungsabgabe = 0 war. Das hat uns eine Stunde zusätzliches Warten gekostet, in der der Schrauber versucht hat, mit eine 0,5 l Wasserflasche den Motor mit einer Verlust-Wasserkühlung auszustatten. Hat nichts geholfen. Wir sind mittags für die letzten 30 km losgefahren, und gerade so beim Dunkelwerden angekommen.

Letzte Erkenntnis: wenn man mal fahren kann, ist es geil! Die neu geteerten Strassen sind für die nicht funktionierende Federung der Chang ein Segen, durch Wald, an Reisfeldern vorbei, Passstrassen mit Kehren, unbeleuchtete Tunnel, vom Feinsten. Könnte ich den ganzen Tag lang machen. Wenn nicht die Kondition schlapp machen würde. Ans Sitzen auf dem Ding habe ich mich irgendwann gewöhnt, das Fahren an sich geht in die Arme und Beine. Erstens lenkt man tatsächlich mit den Armen, zweitens geht alles geht schwer (Blasen an der Gashand!), darauf war mein Körper nicht vorbereitet.

Der Schrauber ist zwar die Expat-Weichei-Nummer, war aber die goldrichtige Entscheidung. Wir hatten den verkohlten Stecker, ein zermahlene Endantriebsverzahnung, ein bisschen gerissene Seilzüge, unlustige Vergaser, und am Schluss ein geplatztes Lenkkopflager. Und er hat alles hinbekommen, cool oder? Alleine hätten wir den Endantrieb vielleicht noch gemeistert, das Lager aber nicht mehr. Er hätte da auch beinahe kapituliert. Er hat das obere Lager für unten verwendet, zum Einbau den Lagerkäfig aufgeschnitten, das Gebilde mit Fett zusammengepappt, und oben provisorisch das Lager eines Elektrorollers eingesetzt. Na also, hat bis nach Hause gehalten.

Wenn man nach rund 3 Stunden aus Shanghai nach Westen raus ist, wird es tatsächlich grün. Am dritten Tag hatten wir ein bisschen Regen, da brauchen Elektrik und Schweinwerfer eine Plastiktüte, und wollten deshalb nicht wieder in die Berge. Also sind wir frei Schnauze durch die Felder gefahren. Ein paarmal umdrehen, ein paar Schlammwege, auf jeden Fall erheiternd. Zwischen den Feldern gibt es jede Menge schmaler, betonierter Wege, die entweder im Nichts, auf einem Hof, einem Feldweg, oder manchmal auch auf einer anderen Strasse landen. Unser Schrauber war beeindruckt,das sowas den Langnasen Spass macht. Er wollte uns immer mit seiner Smartfon Karte auf die nächste grosse Strasse lotsen, die in China verfügbaren Karten sind jedoch Mist. Mein GPS war die bessere Wahl, solange nicht wieder ein Neubauviertel im Weg stand. Das kennt wenigstens noch die kleinen Strassen, die sind auf den offiziellen hier gar nicht drauf.

Am letzten Tag sind wir über die Hangzhou Bay heimgefahren, also erst 60 km südlich bis zur Küste, und dann wieder nach Norden. Von wegen Strandromantik und Eiskaffee. Erstens ist das alles schon wieder im industrialisierten Bereich, also gibt es nur noch grosse Gradausstrassen mit vielen Lastern, der Strand ist ein Stück Schlamm hinter einer Betonmauer, und genau dort ist uns das Lager geplatzt. Haben wir die Pause halt vor dem Schrauberladen verbracht. Hier fand ich die chinesische Gesellschaft wieder cool: Er ist mit dem defekten Krad dort vorgerollert, kurz gesprochen, und schon durfte er alles benutzen und mit deren Equipment schrauben. Der chinesische Fachbetrieb findet übrigens am Boden statt: Sobald man ein Werkzeug nicht mehr braucht, lässt man es einfach fallen. Man muss sich nur merken, wo man was runtergeworfen hat.

Zum Schluss sind wir die 100 km über eine autobahnähnliche Strasse mit Top Speed 60 km/h heimgerollert, das Moped mit dem Mofalager durfte der Schrauber selber fahren.

Zusammenfassung: Genug Defekte, um den Schrauber zu rechtfertigen, genug nette Strassen, um die Idee zu rechtfertigen, wann habe ich wieder 3 Tage frei zur Wiederholung? Meine Chang muss jetzt zum Händler, Lichtmaschine defekt.