09.09.2013 - Kochkurs

Mittwoch, 25.09.2013

Alle meine Asien-Kollegen sind in Shanghai, da habe ich mir typisch deutsch überlegt: ein gemeinsamer Kochkurs ist eine tolle Idee. Wahrscheinlich war es für mich am interessantesten, vor allem Kollegen aus den stark hierarchischen Nationen beim Kochen zu sehen: Sie haben vermutlich noch nie gekocht. Organisiert von einer engagierten Shanghaier Unternehmerin Mitte 20 (maximal). Erst hat sie uns zum Einkaufen geführt. Mir ist der Stand auf der Strasse, oder besser die am Strassenrand sitzende Person im Gedächtnis geblieben: er verkauft Aale. Und das geht so: er hat ein schmales Holzbrett, durch das an einem Ende ein rostiger Nagel geschlagen ist. Mit einer schnellen Handbewegung nimmt er einen zappelnden Aal, etwa 40 cm lang und knapp 1 cm stark, spiesst den Kopf auf dem Nagel auf, schneidet ihm die Kehle durch, Eingeweide raus, Kopf ab, fertig. Dauert etwa 5 s. Das Brett ist so blutig rot, dass ich mir die Fotos gespart habe, nichts für europäische Weicheier. Währenddessen büchsen ihm immer wieder Aale aus der Plastiktüte aus und schlängeln, oder aalen? sich über die Strasse. Dazu sitzt seine Assistentin neben ihm, sie fängt die Tiere wieder ein, der Nagel ruft.

Den Kochkurs gab‘s im Appartement der Unternehmerin. 12 Mann plus sie selbst plus eine Assistentin plus 2 Chefs, d.h. angeblich echte Köche, auf geschätzt 10 m². Wohnungen in Shanghai kosten im Moment 4.000 bis 4.500 €/m², Küche plus ein Zimmer sind etwa 25 insgesamt, das sind über 100.000 €, bei einem Einkommen von vielleicht 5.000 RMB oder 600 € kann sich jeder die Situation selber ausrechnen. Wie funktioniert das? Ähnlich wie bei den Schwaben: Schulden machen und Eltern, nur auf die Wüstenrot Bausparkasse muss der Shanghaier verzichten.

Gehalt ist ein hochinteressantes Thema in China. Nicht nur, dass gerade die Generation Y alle 3 Jahre 30% mehr braucht, hauptsächlich, um den Diskussionen in der eigenen Familie (Eltern) standzuhalten, d.h. um die Wohnung zu finanzieren und die beiden anderen Insignien Auto und den damit verbundenen Titel vorzuweisen. Bestehende Gehälter vor allem bei den Staatsbetrieben sind sehr speziell. So verdient ein Personalchef etwa 360 EUR im Monat. Da das auch in China für einen Personalchef nicht viel ist, bekommt er eine Wohnungs-, Kleider-, Auto-, Telefon-, Essens- und noch ein paar andere Allowances. Wieso? Ganz einfach: Allowances sind steuerfrei! Also werden nur 360 € versteuert. Man sagt, Finanzbuchhaltung in einem Shanghaier Unternehmen ist eine grosse Kunst: Zum einen die Steuer zu vermeiden und zum anderen revisionsfest zu sein.

Zurück zum Thema, wir haben ein 5 gängiges chinesisches Menü gekocht, und danach haben wohl die beiden Chefs noch einmal profimässig nachgelegt. Alle waren begeistert, dabei war ich mir am Anfang nicht ganz sicher, ob die Idee mit dem Kochen im Appartement wirklich gut ist. Ich habe leider nicht mitgegessen: ein Virus hat mich an dem Tag matt gesetzt, mir blieb nichts anderes übrig, als heim zu fahren und mich ins Bett zu legen.