29.08.2014 – Der Vertrag

Sonntag, 31.08.2014

Wir sind stolz auf unsere Elite Ayi: sie kann chinesisch und Pinyin schreiben, und Worte im Lexikon finden. Für Ayis bzw. grundsätzlich Chinesen vom Land ist das ungewöhnlich. Sie können normalerweise soviel Zeichen wie ich, nämlich keine. Unsere kommt aus Anhui, wie die meisten hier, und sucht ihr Glück nun in der Grossstadt. Wie auch immer sie es geschafft hat, sie hat 2 Kinder, die nun hier in die Schule gehen sollen. Und das ist nicht einfach. Leute wie sie fallen unter ‚Foreign Workers‘, davon gibt es in Shanghai etwa 7 Millionen, die hier als Ausländer zählen und ein Leben zweiter Klasse führen: Krankenversicherung schwierig, Ausbildung der Kinder nicht möglich. Das ändert sich nun, deren Situation wird verbessert, es ist halt an ein paar Bedingungen geknüpft. Also kam sie mit einem der typischen auf chinesisch und englisch geschriebenen Verträge: Sie braucht einen Arbeitsvertrag mit uns, damit ihr Kind auf die Schule gehen kann. Soweit, so gut. Nur: Schulanmeldung ist nächstes Jahr, es muss aber jetzt sein, warum? Und: auf dem Vertrag steht ein dritter Partner: eine Agentur! Die kennt und braucht von uns keiner. What to do? Chinesen nehmen Verträge nicht ernst, Deutsche aber schon. Ihr Standpunkt: unterschreib’s einfach, unser Standpunkt: mal den Juristen fragen. Und der sagt: Finger weg von einer Agentur. Meine Frau war bei der Agency, bei uns gleich um die Ecke: ein paar grummelnde Chinesen sitzen auf dem Boden eines kleinen Ladenlokals und daddeln auf ihren Smartphones, englisch und Langnasenkontakt unerwünscht. Das ist also die Agentur, die Personal an Expats vermittelt.

Die Story, man in so einer Situation erzählt bekommt, ist nie die Wahre, sie enthält allenfalls Hinweise auf die Wahrheit. Wir haben es uns so zusammengereimt: die Agentur hilft bei dem ganzen Papierkram, vermutlich mit Hilfe von etwas Guanxi, und will dazu Kohle sehen und die Kontrolle behalten, klassisches Abhängigkeitsmodell. Vermutlich hat unsere Ayi dafür bezahlt und ist jetzt in der Zwickmühle, wenn wir nicht mitspielen. Geld weg und keine Schulanmeldung. Allerdings versteh ich nicht, warum sie nicht einfach irgendeine Unterschrift drunter setzt, was auch keiner merkt, dann wär das Thema erledigt. Vielleicht kommt das noch.

Sie ist erstmal ein wenig verzweifelt abgezogen, wir haben es nämlich auf die deutsche Art gelöst: Alle Passagen mit der Agentur gestrichen und die Unterschrift angeboten. Und das klappt natürlich nicht, denn damit kommt sie bei dem Menschfänger nicht durch. Deshalb hat sie uns ein paar Tage später freudestrahlend eine neue Lösung angeboten: ein neuer Vertrag ausschliesslich auf chinesisch, sei harmlos, können wir unterschreiben. Wie zu erwarten: es war der gleiche wie vorher, nur ohne englisch! Jetzt kann man ihr böse sein, wer lässt sich schon gern verarschen, andererseits weiss sie einfach keinen Ausweg und macht das auf ihre Weise. Wär ja ganz lustig, wenn es nicht täglich solche Nummern gäbe. Unter der Woche passieren die gleichen Themen, und jedesmal muss man gegenhalten.

In dem Stadium des chinesischen Vertrags sind wir immer noch, Lösung nicht in Sicht. Die chinesische Variante in so einer Situation ist: Ausssitzen und Wegducken (die deutsche ja manchmal auch, ohne politisch werden zu wollen). Fortsetzung folgt.