31.01.2013 – China China

Samstag, 02.02.2013

Chinakoller? Kann sein. Heute hat mir mein Exfahrer schlappe 2 Stunden meiner Zeit geklaut, das ist etwa so erquicklich wie Diskussionen mit der Exfreundin. Nachdem er für sich entschieden hatte, dass es besser ist, wenn ich auf ihn statt er auf mich wartet, und er die Grenzen der Physik geprüft hat (wer den Grenzbereich ergründen will, muss das von beiden Seiten tun), war es ja vorbei. Also hat er mir im gleichen Geist seine Abschlussrechnung präsentiert: 6.000 RMB. Und die fragwürdige Summenbildung liegt sicher nicht am chinesischen Schulsystem. Aufschlüsseln des Betrags fand er kleinkariert, die Forderung, seine Strafzettel (30% zu schnell) selbst zu zahlen, war in seinem Wertesystem unangemessen hart, und meine Plausibilitätsprüfung machte ihn unglücklich. Darüber hinaus fand er eine Bonuszahlung wegen Chinese New Year für angemessen. Das alles immer per Übersetzer, denn selber verhandeln geht ja nicht. Tatsächlich ist mit dem chinesischen Fapiao System einfach alles möglich. Die Fapiao für die Strassengebühr ist die gleiche wie für die Metro; und woher stammt nun die, die er abrechnen will? Auf dem Ding steht weder ein Datum noch ein Zweck. Wann er die Beträge bezahlt hatte, hatte er leider vergessen. Es ist kein Problem, Fapiaos in jeder beliebigen Höhe zu jedem Zeitpunkt zu bekommen, da bleibt so manche Frage offen.

Erschwerend für ihn kam hinzu, dass er viel zu viel arbeiten musste: zu oft und zu weit gefahren. Er ist davon ausgegangen, dass er zwar von halb acht bis acht unterschrieben hat, dass das aber heisst, er fährt mich früh und abends, und während meiner Dienstreisen fällt er in eine Art Winterschlaf. Leider musste er statt dessen glatt den Rest der Familie fahren, und konnte so kein Taxiunternehmen betreiben. Ich habe sozusagen seinen Glücksschlaf und seine Ich-AG unterbunden, und damit das Yin und Yang ausser Balance gebracht. Das klingt jetzt alles ein wenig lustig und vermutlich arrogant, mich hat es einfach nur genervt. Da viele (die meissten? Fast alle?) Chinesen uns Laowei schlicht verachten, sie halten uns für kulturlos, ist es für ihn ist es völlig OK, mich zu seinem Vorteil über’s Ohr zu hauen. Ich habe ihm erklärt, ich sei auch unhappy, denn Fake Spesen seien keine echten Spesen. Nur: er hat es nicht verstanden! Er ist der Meinung, das g’hört so. Weil: das machen alle! Schlechtes Gewissen oder Zurückhaltung wegen der fraglichen Fapiao? Fehlanzeige! Es ist OK, aus der grossen, anonymen Masse des Laowei einen Vorteil für sich abzuzweigen, welcome to China!

Am Schluss habe ich das Thema unserem chinesischen Gewerkschaftsvertreter übergeben, von Chinese zu Chinese, und er hat es gelöst. Wie? Ich kann leider kein Chinesisch…. Jetzt geht mir nur noch der Satz meiner Assistentin im Kopf rum: manche Menschen werden in solche Situationen gefährlich. Was soll mir das sagen? Kommt demnächst die Mafia vorbei?

Auf der Heimfahrt gab‘s noch eine Zugabe für den heutigen Tag: ein Mopedtaxi verbotenerweise auf der  Hochstrasse. Ich dachte, ich traue meinen Augen nicht: Bei etwa Tempo 80 haben ihm 2 Autotaxis klar gemacht, er gehört da nicht hin. Wie? Auf 50 cm seitlich heranfahren, dann einen Schlenker machen. Er konnte gerade noch ausweichen. Nachdem es 5 Mal gutgegangen ist, war die Lektion wohl erteilt und das Spiel beendet. Ein paar weitere Autos sind dann noch sozusagen als Nachspiel mehr oder weniger ohne Abstand an ihm vorbeigefahren, wenigstens hat ihn keiner aus dem Sattel geholt. Was lernen wir daraus: Mopedtaxifahrer sind unsterblich, und China ist eine Hochkultur.

Und wenn dann noch auf der Autobahnausfahrt eine der chinesischen Tussis im A8L unvermittelt stehenbleibt, wie tatsächlich geschehen, nur weil sie vergessen hat, a) ob ihr Nagelstudio rechts oder links ist und b) dass sie in einem Auto und nicht auf einem Fahrrad sitzt (viele Chinese der heutigen Generation koennen übrigens gar nicht mehr Fahrradfahren – und Autofahren auch nicht), dann ist der Punkt erreicht, an dem meine Toleranz aufgebraucht ist. Heute war es soweit. Morgen wieder.