26.05.2012 – House Hunting 3. Tag

Sonntag, 27.05.2012

Es wird. Nachdem ich Anfang der Woche meinen Unmut über die Zeitverschwendung deutlich losgeworden bin, gab es ein paar Gespräche auf chinesisch, um den Agent wieder zu motivieren (?!). Sie hat mir am Samstag erstmal eröffnet, dass sie wegen mir nicht hätte schlafen können, dafür mir dann jedoch ein paar wirklich gute Häuse gezeigt. Es nutzt nix, wenn man etwas haben möchte, muss man immer sehr deutlich werden, sonst wird nur der Weg des geringsten Widerstands und minimalen Aufwands beschritten. Zwar komme ich mir dabei immer komisch vor, die freundliche Bitte um Verständnis führt jedoch nirgendwohin. Jetzt bin ich gerüstet, um mit der Familie nächste Woche vernünftige Häuser anzusehen und hoffentlich auch zu entscheiden. Leider sind die Preise gegenüber letztem Jahr gestiegen, so dass jeder Vermieter ohne mit der Wimper zu zucken schlappe 15% mehr als letztes Jahr fordert.

Mein Fahrer entpuppt sich als der Nachfolger von Walter Röhrl, er spart mir auf der einfachen Strecke ins Büro 10 min im Vergleich zu seinem Vorgänger. Man muss sich dran gewöhnen, dass er Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht wahrnimmt und jede Lücke im Verkehr ausnutzt, dann ist es OK. Sogar meine chinesischen Kollegen bezeichnen ihn als ‚fast‘, und das will was heissen. Lustig ist, dass er meinem GPS nicht glaubt, selbst, wenn er den Weg auch nicht kennt. Wenn das GPS auf der Autobahn ‚nächste Abfahrt raus‘ anzeigt (die bayerische Stimme versteht er ja nicht, vielleicht sollte ich die Chinesische laden), fährt er stur auf der 3. Spur weiter. Wenn ich es ihm dann sage, wird er auf der 3. Spur immer langsamer, bleibt aber dort, bis fast zum Stillstand. Und erst mit nachdrücklicher Anweisung gibt es dann im allerletzten Moment einen 90° Haken nach rechts, um gerade noch an der Leitplanke vorbeizukommen. Beruhigend ist, er ist nicht der einzige, der so fährt. Mein Auto ist auch wieder repariert, jedoch so stümperhaft, dass man die Delle in der Tür von weitem noch erkennen kann. Ich würde das nicht akzeptieren, schon gar nicht bei einem Auto, das noch nicht mal 4 Wochen alt ist. Cha bu duo!

Seitdem ich selber fahre, meist am Wochenende, habe ich sehr grossen Respekt vor den Taxifahrern. Es ist unheimlich anstrengend, da dauernd irgendeiner etwas Unvorhergesehenes macht. Wie man das den ganzen Tag durchsteht, ist bewundernswert. Ich bin inzwischen der festen Überzeugung, dass die dauernden Staus nichts mit dem Verkehrsaufkommen zu tun haben, sondern schlicht mit der Fahrweise. Wie oben schon erzählt, kann man jederzeit überall stehen bleiben, wenn man telefonieren, nachdenken, diskutieren, oder einfach warten will. Ein Beispiel: beim Heimfahren gibt es jeden Abend auf der Hochstrasse an einer Stelle einen grossen Stau, weil viele Autos ohne erkennbaren Grund auf einmal auf der Fahrbahn stehen. Jetzt weiss ich auch, warum: Autos mit ‚nicht-Shanghai‘-Kennzeichen dürfen tagsüber nicht auf der Hochstrasse fahren, erst ab 1900 Uhr abends. Und was macht man, wenn man 30 min früher dran ist? Genau, einfach stehenbleiben und warten. Offensichtlich kostet es eine Strafe, verboten auf der Hochstrasse zu fahren, nicht aber, dort rumzustehen. Ich komme jetzt nicht wieder mit den 80 Extrafragen beim Führerschein zu den Hochstrassen in Shanghai, wer möchte sich schon mit theoretischem Kram aufhalten?