19.07.2012 – der Alltag beginnt – fast

Sonntag, 22.07.2012

Ich muss wieder arbeiten, meine Familie hat Ferien, d.h. lange schlafen, Sightseeing, essen und shoppen gehen: Ich hatte mal erwähnt, dass man beim beim Bezahlen mit der Geldkarte eine SMS bekommt, jetzt bekomme ich immer die SMS ins Büro, wenn die Familie mit meiner Geldkarte unterwegs ist.. Ausser heute: gegen halb 10 grosse Aufregung im Büro, um 0900 wäre nämlich der Termin für den Healthcheck gewesen, der erste Schritt zur Aufenthaltsgenehmigung. Woher ich das wissen soll? Man hat mir doch ein Mail geschickt, gegen 5 gestern, das war ca. 1 h nachdem ich eingeschlafen bin. Und wenn man mir einmal ein Mail schickt, dann ist das doch ausreichend organisiert – oder? Anrufen oder Nachfragen ist übertriebene deutsche Gründlichkeit. Also durfte meine Familie schlagartig mit dem Schlafen aufhören, wir haben mehrere Autos mit Personen, Pässen und Aufenthaltsgenehmigungen durch Shanghai geschickt, und schon war der Gesundheitstest erledigt. Dass wir keine Quittungen für die Gebühren bekommen haben, und das so ziemlich der einzige Job war, den der bezahlte Agent beizusteuern hatte, ist nur eine amüsante Episode am Rand. Der Trick der Quittung ist, dass in China nichts ohne ein Blatt Papier ohne einen ovalen, roten Stempel geht, zumindest was Geldbewegungen angeht. Selbst eine Hotelrechnung ist wertlos, wenn nicht ein kleiner Papierstreifen mit diesem Stempel angeheftet wird. Auf jeden Fall hat meine Frau jetzt vermutlich die schnellste Gesundheitsuntersuchung in Shanghai absolviert, das ist ja auch was.

Vor ein paar Tagen stand im Blog die Frage, ob sich die Familie schon eingelebt hat. Ich würde das mit jein beantworten. Es ist noch zu kurz, genau betrachtet ist es eher ein Urlaubs- als ein wir-leben-hier-Gefühl. Blauer Himmel (wirklich wahr!), Sonnenschein, 35°C, Ausschlafen, Essen gehen, Pool vor der Haustür, das ist eher ein gefühlter Urlaub. Und da wir in 3 Tagen eh in Urlaub fahren, wird das noch verstärkt. Die Landung kommt dann danach mit Schulbeginn. Ich denke, bis zum Eingelebt-haben wird es noch ein bisschen dauern. Also Alltag noch nicht wirklich.

Apropos China, in China liebt man Statistiken über alles, täglich stehen Dinge wie die Mückendichte, Zahl der U-Bahnbenutzer, Air Quality Index und Anteil der Autos in der Zeitung, diesmal war es der durchschnittliche Preis eines Metrotickets mit 2,9 RMB. Dumm nur, dass das billigste Ticket 4 RMB kostet. Während das sonst niemand interessiert, gab es diesmal einen grossen Aufschrei auf Weibo, dem chinesischen Twitter. Die Statistik wurde dann offiziell erklärt: Wenn jemand für 4 RMB 3x umsteigt, dann kostet eine Fahrt 1,33 RMB, ist doch logisch! Was lernen wir daraus: die Shanghaier steigen oft um!

Und ich habe noch etwas zu Strafzetteln gelernt: Es gibt eine Webseite, auf der man selbst nachschauen muss, ob man einen Strafzettel hat. Wenn man das nicht tut, wird’s einfach teuer. Und wenn man seinen Strafzettel gefunden hat, dann zahlt man ihn einfach, und dass ist’s gut. Nein, ich hatte keinen, aber ich habe den meines Fahrers im Handschuhfach gefunden. Das wussten übrigens ausser mir alle, aber mir sagt’s halt wieder keiner.

Und zum Schluss noch das ‚attractive talent‘: Chinesen sind in ihrer Ursprungsgemeinde registriert, die später auch ihre Rente zahlt. Je nach Gemeinde sind damit unterschiedliche Rechte verbunden. Daher verhält sich Shanghai sehr restriktiv mit der Shanghai-Staatsbürgerschaft, d.h. viele unserer Mitarbeiter leben und arbeiten zwar hier, sind aber noch zu Hause registriert. Aufgrund der Vorteile haben sie jedoch das Ziel, sich nach Shanghai umzumelden, nach mehrjähriger Wartezeit können Sie dazu einen Antrag stellen. Und auf meine Frage, ob dennoch Wohnen und Arbeiten problemlos möglich ist, war die Antwort: meiner Assistentin: wer als ‚attractive talent‘ zählt, für den ist das kein Problem. Dem möchte ich nicht widersprechen. Schade nur, dass mein Kollege das auch weiss und sie sich jetzt wieder unter den Nagel reisst, er hat quasi die älteren Rechte. Jetzt muss ich mir ein neues attractive talent suchen.