29.03.2014 – Cancelled

Sonntag, 13.04.2014

Eine Woche in Changchun, die Laufschuhe hatte ich dabei, und nicht mal ausgepackt, bei dem Ausblick jeden Morgen aus dem Fenster! Man kann es drehen wie man will, in den letzten 12 Monaten hat die Luftqualität deutlich abgenommen, in Shanghai sowieso, in Changchun auch. Die Stadt liegt mitten in der Pampa, deshalb war dort bis vor einiger Zeit die Luft in Ordnung, das ist vorbei.

Interessant ist der Anflug im Dunkeln nach Changchun: Was sieht man, wenn man rausschaut? Nix! Es ist dunkel. Genau: dunkel, kein Licht. Üblicherweise liegen Flughäfen neben Städten, das ist in Changchun auch so. Also sieht man die Lichter der Stadt und der Vorstädte, auch bei der Kleinstadt mit 6 Mio. Einwohnern. Nicht jedoch in der Gegend, da haben die meissten Dörfer keinen Strom, also ist es zappenduster, sozusagen voll Öko.

Irgendwann muss es mich mal erwischen, sonst wär es ungerecht. Da meine Frau und ich uns in den nächsten 3 Wochen entweder am Flughafen knapp verpassen oder zwei Stunden sehen, wenn der eine kommt und der andere geht, wollte ich unbedingt am Freitag Abend daheim sein, um auf die Kinder aufzupassen (ja, muss sein) und mal ein ganzes Wochenende am Stück zu haben.

Ich war überpünktlich 90 Minuten vor Abflug am Flughafen, geplanter Start 4:30. Um 6 durften wir einsteigen, nach 4 Minuten gleich wieder auszusteigen: wir fliegen jetzt nicht. Angeblich, weil in Shanghai die Wolken so tief hängen. MU und Spring Airlines sind geflogen, die 3 CZ Flieger nicht. Langnasen ziehen sich in China an, so habe ich in dem Gewühle einen Deutschen und einen Engländer getroffen, die mit der gleichen Maschine nicht geflogen sind. Das Ass des Engländers: er kann fliessend Mandarin, wodurch wir in der klassischen Situation der Nullinformationspolitik einen Vorteil hatten. Ein paar Bier und mehrere Dialoge später (ask later) haben wir um 9 Uhr abends das Spiel verloren: cancelled, heute geht nix mehr. Wir hatten innerlich gewettet und auf Pair = Fliegen gesetzt, und verlorgen. Das muss man sportlich nehmen. Wer sich jetzt vor seinem geistigen Auge vorstellt, wie chinesische Passagiere aus drei stornierten Flügen einen mit einer Chinesin besetzten Schalter stürmen um umzubuchen, der versteht es trotzdem nicht, bevor er es nicht selbst erlebt hat. Nicht Shanghai, sondern Changchun, da ist die Quote der ‚ursprünglichen‘ Chinesen deutlich höher. Wer also ‚ursprünglich‘ Urlaub machen will… Da wir alle drei zu den längeren gehören, ist es uns gelungen, in etwa 30 Minuten durch Manndeckung, Bodycheck, aktives Anstehen und laute Ansprache über die Köpfe der anderen hinweg eine Umbuchung auf morgen früh zu erreichen. Oder zumindest eine Zusage einer solchen, man wird bescheiden. Auf die Organisation der Fluggesellschaft hinsichtlich Bus und Hotel haben wir gerne verzichtet. Stattdessen haben wir unsere Teamfähigkeiten genutzt: einer kann Mandarin, einer hat Kollegen, die ein Taxi und Hotelzimmer organisieren (ich) und einer unterstützt mental. So sind wir wieder per Taxi in mein altes Hotel gefahren, haben dort sogar noch ein Wienerschnitzel bekommen (!), und nach diesem spannenden Nachmittag noch einen netten Abend verbracht. Am nächsten Morgen musste ich nur noch um 5 aufstehen, um gegen 7 tatsächlich meine Bordkarte für 8 in Empfang zu nehmen: ein äusserst spannender Moment, keiner hat wirklich geglaubt, dass die Umbuchung existiert. Immerhin sind wir kurz vor 9 geflogen, um 1 war ich zu Hause. Hurra. Ich will nicht überheblich sein, aber ohne eine mindestens 6-monatige Chinapraxis ist bei so was ein Ausländer nicht nur wahrscheinlich, sondern tatsächlich verloren. Wenn man nicht weiss, dass es eine bessere Option gibt als sich auf das Notfallmanagement der Fluggesellschaft zu verlassen, dann steht man da noch die ganze Nacht und wartet. Oder man endet mit einem wildfremden Nicht-Mitflieger in einem Doppelbett im Hotell, so ist es meinem Bekannten gegangen. Was hätte ich in den ersten 6 Monaten in der Situation gemacht? Stimmt, die Assistentin angerufen.