01.05.2012 – mit dem Fahrrad durch Shanghai 2

Dienstag, 01.05.2012

Heute ist der 1. Mai, leider habe ich keinen Maibaum zum Klauen gefunden und auch niemanden, der mit mir in den Mai tanzt (kann aber nur daran liegen, dass ich nicht ordentlich gesucht habe). Und warum auch immer ist Google heute tot. Zum Glück gibt es noch Yahoo.

Vor 2 Tagen war ich mit einem Freund von einem Freund essen, der schon 10 Jahre hier lebt: Rostbraten mit Bratkartoffeln?! Gestern war ich Burger essen (Montags ist im Blue Frog Burgertag), danach habe ich mir Semmeln gekauft und im City Shop Frischkäse für 68 Kwai, stimmt, das sind 7,50 €! Und heute eine Pizza, 120 Kwai. Nach allen Literaturstellen durchlebt der gemeine Expat emotionale Höhen und Tiefen, mir scheint, es gibt kulinarische Zyklen. Demnächst gehe ich wahrscheinlich Schweinshaxn essen, gibt’s im gleichen Laden wie den Rostbraten!

By the way, der Freund eines Freundes hat vielleicht eine Adresse für eine Changjiang…, Mann weiss ja nie. Übrigens gibt es jetzt sogar eine App für die Führerscheinprüfung. Gar nicht schlecht, langsam überzeugt mich das IPhone doch. Vor allem die Map-Funktion hat mich schon mehrfach gerettet.

Heute habe ich entschieden, mit dem Fahrrad in und durch die Stadt zu fahren. An der Ampel gibt es immer wieder erstaunte Gesichter, wenn die bayerische Garminstimme aus meinem Rucksack ‚abbiagn‘ sagt. Es hat perfekt, das Ding einfach oben in den Radlrucksack (der rote!!, Insider wissen Bescheid) zu stecken, die Stimme ist laut genug, dass ich danach fahren kann.

Funktioniert ganz gut, die Regeln sind glasklar (ein wenig anders als in der Prüfung verlangt): der Grössere weicht grundsätzlich nicht von seinem Kurs ab, je grösser man ist, desto mehr geht. Und es ist alles möglich, gibt es eine Steigerung von ‚alles‘? Mehr als alles gilt für die Klasse Cayenne etc, besonders mit Chinesin am Steuer, die Mädel fahren sehr langsam, aber so, als wären sie ganz alleine. Das Prinzip ist, ein hinter mir gibt es nicht, was vor mir ist folgt dem Gesetz der Grösse. D.h. plötzliches Stehenbleiben, Abbiegen, Rückwärtsfahren (machen Chinesen nur, wenn nach längerem Nachdenken wirklich keine Alternative bleibt) oder Umdrehen auf einer sechsspurigen Strasse sind an der Tagesordnung. Und alle fahren mit stoischer Miene drumherum, bloss nicht das Gesicht verziehen.

Irgendwann beim Rumradeln sind mir die ‚Fahrrad verboten‘ Schilder aufgefallen, und da ich nicht der einzige war (aber es waren nur sehr wenige), habe ich sie ignoriert. Bis zur 5ten Kreuzung, es kam wie es kommen musste: Mit der Trillerpfeife laut und bestimmt ins Abseits gestellt. Sozusagen ein Elfmeter für den grinsenden Hilfspolizist. Ich habe zwar kein Wort verstanden, die Botschaft war dennoch eindeutig, aber Dummstellen soll ja helfen. Leider hat er mich direkt an einen höflichen, sehr gut englisch sprechenden Mopedpolizist weitergereicht; der gerade dabei war ein anderes 2-Rad abzukassieren. Netterweise hat er mir erklärt, dass es hier verboten ist und mir den Weg erklärt, wie ich erlaubt an mein Ziel komme. Schwein gehabt, Expatbonus, das geht vermutlich auch nicht mehr lang. Zum Glück war der Garmin gerade still.

Es ist tatsächlich so, dass grössere und belebte Strassen für 2-Räder gesperrt sind, gleichzeitig existiert ein vollständig ausgeschildertes Netz an Fahrradstrassen, mit eigenen Ampeln. Diese Wege verlaufen abseits der grossen Verbindungen, also bin ich durch Wohnstrassen und kleinere Strässchen mit vielen Geschäften geradelt, immer an den Platanen (fermiana platanifolia, Phönixplatane) entlang, die auf jeder Seite stehen. Da würde ich auch wohnen wollen, macht einen unheimlich netten Eindruck, hätte ich sonst nie gefunden.

Langsam schärft sich der Blick: an fast jeder Kreuzung steht ein Mopedpolizist und schreibt gerade einen auf, und sehr viele Radler sind Langnasen, zumindest in der Gegend von heute. Beides ist mir beim Autofahren nicht aufgefallen. Das Shanghaibild ist völlig anders, s.o., vom Auto oder der U-Bahn (ja ich weiss, ist unter der Erde, aber es gibt 2 Linien auf Stelzen) aus sieht es durch die Hochstrassen und den Massenverkehr viel mehr nach Megacity aus, der heutige Eindruck ist mit München Schwabing vergleichbar.

Zum Abschluss ein paar Zahlen aus der Shanghai Daily: Besucherrekord in der Metro, erstmals mehr als 7,21 Mio Fahrgäste/Tag, macht aber nichts, in Kürze werden 7,5 Mio/Tag erwartet. An den 5 belebtesten Haltestellen wie People Square wird an Feiertagen Militär eingesetzt, um den Massen Herr zu werden. Shanghai hat die niedrigste Geburtenrate der Welt mit 0,7 Kindern pro Frau, dennoch sind in Kürze 500.000 Kindergartenplätze pro Jahr notwendig. Es stehen immer mehr Lebensmittelskandale mit Pestiziden in der Zeitung, im Moment ist Lipton Tea (Unilever) in den Schlagzeilen, und das Rauchen wird verboten (ich glaube jedoch nicht wegen der Luftverschmutzung. Der API liegt im Moment bei 44, nach knapp 100 Mitte letzter Woche). Und zum ersten Mal stieg der Auktionspreis eines Nummernschilds über 60.000 RMB, bei 8.000 Bewerbern für 5.000 Schilder.