02.09.2012 – Eindrücke

Dienstag, 04.09.2012

Nicht jeder Tag ist ein Kracher, aber fast jeder, ich schreib‘ mal ein paar zusammenhanglose Eindrücke auf:

Die Schule hat begonnen, d.h. in unserer Strasse steht jetzt jeden Morgen vor jedem Compound ein vollwertiger Reisebus, um auf die Minute pünktlich abzufahren. Die Kinder werden von der Bus-Ayi eingesammelt und genauestens bewacht, perfekte Organisation. Bei uns steigen in das 50 Mann-Gefährt immerhin 8 Kinder ein, mehr haben wir leider nicht zu bieten.

Der Elternabend verläuft nicht anders als zu Hause auch. Ich hatte erwartet, dass die gelangweilten Expatfrauen sich um den Schulfunktionärsjob reissen, aber weit gefehlt. Offensichtlich ist er mit viel Arbeit verbunden und gar nicht beliebt. D.h. am Schluss gab es ein Ergebnis, aber nicht weniger zäh.

Interessanter sind die informellen Expat-Hierarchien, die Punkte werden vergeben nach Compound, Ayi Voll- oder Teilzeit, Fahrer ja/nein und wenn ja, an 5 oder 7 Tagen und Anzahl der Dienstreisen (definitiv ein Muss für den Vater, ohne zählt wie Hausmann). Alles das gilt es, bei der Vorstellung zügig subtil rüberzubringen, dann kann man in Ruhe weitermachen.

Überraschend die Schule: Ein Schulleiter, der sich vernünftig vorstellt. Jeder Lehrer hat eine Name.Vorname Emailadresse der Schuldomain (klingt banal, aber versuch das an einer deutschen Schule: entweder gibt es keine, oder der Datenschutz verbietet die Nennung des Namens, oder ähnlich absurde Argumente), und er antwortet innerhalb eines Tages auch abends um 9. Die Lehrer der gleichen Jahrgangsstufe sprechen die Inhalte ab und gehen dazu miteinander Essen (freiwillig). Vermutlich ist nicht alles ideal, aber der Anfang ist gut. Schick sind die Klassenfahrten: Reisebüros bieten die 1-wöchige Fahrt nach Xi An, Peking, etc als Paket an, auswählen und fertig.

Meine Fahrt in der Früh ins Büro versuche ich demnächst zu filmen. Strassen baut man, indem man grosse Betonplatten 5x5 m² in den Boden giesst. Natürlich brechen die bald, es gibt alle Zustände: Glatt und neu, kleine Löcher, grosse Löcher, und gebrochene Platten, die nicht mal mehr meine GS vernünftig bewältigen könnte, geschweige denn der GL8. Ich weiss, Enduro beginnt da, wo die GS nicht mehr weiterkommt, aber ich will ja nur ins Büro. Manche Strecken lassen sich nur um Schrittempo bewältigen.

Letzte Woche stand ich auf der 4-spurigen Strasse in der Früh im Stau, und dort ist nie Verkehr. Und warum? Markt! Die ersten Stände standen noch auf dem Bürgersteig, die nächsten auf der rechten Spur, irgendwann auf der zweiten, und die Lieferwagen der Bauern dann auf der dritten. Und nur eine offene Spur war doch zu wenig. Es ist unglaublich. Baustellen funktioneren ähnlich, man schüttet den Sandhaufen einfach auf die Strasse vor der Baustelle, die Autos werden schon auf der verbleibenden freien Spur, manchmal auch die Gegenspur, drumherumfahren. Fieser ist verlorene Ladung: Styroporplatten knallen laut, tun aber nichts, Ziegelsteine sind schon unangenehmer, Ytong-Steine bzw. deren Fake auf der Autobahn sind einfach nur gefährlich. Besonders, da das Licht des GL8 den Vergleich mit dem 6 V Käfer nicht scheuen muss.

Schlimm ist das Fahren nachts: Autos ohne Licht gibt es nur noch wenige, Mopeds mit Licht auch nur wenige. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass auf dem unbeleuteten Elektroroller, der ohne Vorwarnung diagonal über die Kreuzung fährt, eine Mutter mit ihrem Kleinkind sitzt. Ich hoffe nur, dass ich sowas nicht mal übersehe, nur weil ich von der Frau mit dem Kinderwagen abgelenkt werde, die diesen auf der linken Spur entgegen der Fahrtrichtung schiebt.

Dagegen: letzter Samstag die Feier meines Kollegen auf dem Dach eines Hauses mitten in Hangkou, bei Vollmond, Blick auf den Pearl Tower, angenehmen 28°C mit einem kalten Bier, cooler geht nicht. Sogar die Mädels waren beeindruckt. Sie wollen jetzt übrigens hierbleiben und hier Abitur machen: die Schule ist besser, und zu Hause gibt es die Klasse nach Unterschreiten des Klassenteilers nicht mehr. Dazu kommt: ihr Klassenkamerad hat sie am Sonntag zu einem Nachmittag in der Stadt abgeholt, aber nicht mit dem Fahrrad und der U-Bahn, sondern mit der schwarzen Limousine und dem Fahrer seines Vaters. Und sie waren nicht Eis essen, sondern auf dem Flaschenöffner (der Preis wäre vermutlich der gleiche gewesen). Und wenn man dann an der Wache am Compoundeingang vorbeifährt, die auchTeenies salutiert, wo gibt es das sonst? Zu Hause salutiert nicht mal die freiwillige Feuerwehr.

Überigens wird es jetzt kühler, die Temperaturen sinken unter 30°C, Jacke nicht vergessen!