07.09.2012 – Seoul

Samstag, 15.09.2012

Reisen bildet, angeblich, also haben wir beschlossen, uns Seoul anzusehen, liegt nur 1,5 Flugstunden von uns entfernt, plus 1 h Fahrt zum Flughafen, 1,5 h Fahrt vom Flughafen, und die übliche Stunde am Flughafen vor Abflug. Oder auch 3 Stunden, kann vorkommen. Und es kommt vor. Geplant haben wir ganz elegant, 6 Uhr wegfliegen, um halb neun ankommen, Seoul ist eine Zeitzone weiter, und gemütlich mit dem Bus ins Hotel. Nach dem Einsteigen ins Flugzeug erst die Info, dauert noch etwas, bis sie schliesslich am Boden das Essen ausgeteilt haben (leider nicht das Bier!). Warum? Nachmittags gab es ein paar Gewitter, und da wurde der Flughafen geschlossen, und jetzt wollten alle gleichzeitig weg, wir waren angeblich Nr. 20 in der Reihe. Nun kann man überall nachlesen, dass Shanghai 7 Startbahnen hat. Stimmt fast, es sind 2 in Hongqiao (der alte SHA Flughafen), und heute 3 in Pudong, 2 weitere im Bau für das chinesische Flugzeugprojekt. Wie lange dauert es nun, um 20 Flugzeuge mit zusätzlich ein paar Landungen auf 3 Bahnen zu starten? Ganz einfach, es dauert 3 Stunden. Denn alles läuft exakt über eine Startbahn! Vielleicht sind die anderen beiden in der Wäsche. Wenigstens hatten wir genug Zeit zum Essen.

In Seoul waren wir um Mitternacht, der Bus fuhr schon lange nicht mehr, die U-Bahn auch nicht, dafür das bequeme Taxi zum weniger bequemen Preis. Um halb zwei waren wir endlich im Bett.

Seoul ist zuerst mal – still! Auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole, aber es ist einfach ruhig, kein Hupen, kein aggressiver Verkehr, fast langweilig. Angeblich sind die Koreaner die Italiener Asiens, japanische Frauen bevorzugen Koreaner, sie seien netter, besser erzogen und angezogen. Beim Autofahren ist nichts Italienisches zu entdecken. Permanent wird vor dem Traffic Jam gewarnt, den es zwar gibt, aber nicht in der gewählten Dramaturgie. Fahrzeiten werden hemmungslos überschätzt, vorhergesagte 2 Stunden dauern meist eine, obwohl man bei erlaubten 100 lieber 70 fährt, warum auch immer. Auf den bis zu 6-spurigen Strassen ist es kein Problem, sich in der längsten Schlange anzustellen, die ist meist in der Mitte, und offensichtlich die sicherste, Spurwechseln sind etwas ungewisses. Offensichtlich herrscht eine latente Angst vor dem Zu-Spät-Kommen. Mein Kollege war jeden Morgen um kurz nach 6 im Hotel, obwohl wir erst um ¾ 8 fahren wollten, es könnte ja einen Trafic Jam geben. Und erstaunlicherweise kennt sich keiner in der Stadt aus, meine Kollegen fahren immer nach Navi, obwohl selbst ich den Weg schon alleine finden würde, und verfahren sich noch dabei.

Zu sehen gibt es Geschäfte in Unmengen, die grösste Touristengruppe sind Chinesen, zu Gunsten der Handelsbilanz wurden sogar die Visabestimmungen gelockert. Der Renner sind Kosmetika, und Schönheitsoperationen. Die koreanischen Frauen sind durchaus attraktiv, laut unseren Kollegen ist allerdings meist irgendwas im Gesicht nicht echt. Und natürlich gibt es Massen an Restaurants, meist ist man Fleisch. Man bestellt vorzugsweise ein Set Menu, und kann dabei angeben, wie lange das Essen dauern soll. Sobald der Kellner weiss, ob das Essen für 1, 1,5 oder 2 Stunden geplant ist, steuert er die Geschwindigkeit der Gänge entsprechend. Und das klappt auf 5Minuten genau!

Ein bisschen Kultur gibt es auch, aber wirklich nur auch. Für den altertumsgewohnten Europäer ist es gewöhnungsbedürftig, entweder frisch renovierte oder wiederaufgebaute Paläste anzusehen, es wirkt eher wie ein Freiluftmuseum. Immerhin gibt es eine Palastwache, die Idee stammt vermutlich aus London:

   

Beeindruckend war der Abend im Nanta Theater, einer Rhythmus Koch Show. Leider kann ich hier keinen Youtube Link testen, wer will, kann mit dem Link anfangen: http://nanta.i-pmc.co.kr/Nanta/en/Multimedia/BoardMovie.aspx?Id=15. 3 Köche und ein Neffe des ekligen Managers müssen überraschend in einer Stunden 6 Hochzeitsmenüs zaubern, darunter eine Köchin mit dem Namen ‚Hot Sauce‘. Beim Trommeln mit scharfen Messern fliegen die Kopfsalatstücke bis ins Publikum.

Einen coolen Fernsehturm gibt es, von dort ist der Blick auf die Stadt bei Sonnenuntergang beeindruckend, wann auch sonst. Wir sind genau 8.142 km von daheim weg.

 

Übrigens habe ich in der Zeitung einen netten Bericht zum Urteil des Verfassungsgerichts über die Eurobonds gelesen: ‚a court in a small, sleepy town will decide …‘.

Fazit: Seoul ist ganz nett, es fehlt das Flair oder der Charakter einer Stadt wie Shanghai (of course!), Tokyo, Hanoi, oder von mir aus München (wenn man Kleinstädte mitzählen darf).

Beim Heimflug war ich 3 Stunden vor Abflug am Flughafen, ich sollte rechtzeitig losfahren, wegen Traffic Jam!