27.04.2014 – Auf ins Hochland

Montag, 02.06.2014

Wir wollen nach Kangding, das liegt im Westen auf rund 2.500 m, über einen kleineren Pass. Mit meinem Moped-GPS und Google Maps im Verbund klappt das ganz gut. Beide zusammen finden die Strassen meist vollständig. Nur einmal sind wir ziemlich lange an einer leeren Autobahn entlang gefahren, bis uns klar war: die geht in die gleiche Richtung, sie ist nur so neu, sie ist nirgends drauf.

Was ich nicht auf dem Schirm hatte: Sichuan ist Erdbebengebiet, oft und schlimm getroffen, und so sind die Strassen. Die Hauptverkehrsstrasse ist ein betoniertes Ding, und Beton ist nicht elastisch. D.h. lange Streckenabschnitte bestehen aus gebrochenen, zerbröselten Betonplatten mit Kanten, Treppenstufen und Löchern, die zwischen 1 und 40 cm hoch bzw. tief sein können, die Löcher und Spalten bis zu 1 m breit. Also bleibt nichts anderes übrig, als mit höchster Alarmstufe den Weg zu suchen, wozu man die gesamte Breite benötigt. In Verbindung mit den vielen LKW und ewigen Militärkolonnen sinken die Reiseschnitte auf Fahrradgeschwindigkeit. Das kann ich guten Gewissens behaupten, es gibt recht viele Mountainbiker, die hier den Pass hochfahren, und die gleichen haben uns immer wieder überholt, wenn wir wieder mal gewartet haben, bis sich das Chaos auflöst.

Und irgendwann war es soweit, es kam, was nicht kommen sollte: Ich stand vor einem Loch und hatte vergessen, es mir vorher genau anzusehen. Also kurz entschlossen gaaanz langsam durch, bis zum Aufschlag! Am Parkplatz danach wollte ich nur wissen, dass nix ernsthaftes passiert ist, hatte aber die Finger voll Getriebeöl, die Wanne hatte aufgegeben. Einer der lokalen Reifentandler, dem ich das Malheur gezeigt habe, hat mir klar gemacht: hier gibt’s nix, weiter gibt’s gar nix, aber 15 km zurück ist eine Werkstatt. Also alles, was wir gewonnen haben, wieder zurück, in dem gleichen Gewühl, den gleichen Schlangenlinien, an den gleichen Löchern vorbei, um am Sonntag Mittag eine Werkstatt zu finden. Zwischendrin noch versucht, die Mietwagenfirma zu erreichen: ‚for english service press 7‘ führt in eine Endlosschleife. Habe ich aufgegeben und beschlossen, mir selber zu helfen.

Und siehe da, eine recht grosse Werkstatt, und nachdem ich die Jungs aus dem Mittagsschlaf geschreckt habe, meinen Kollegen zum Übersetzen angerufen habe, war alles geritzt: Ölwanne abbauen, schweissen, dranbauen, Öl einfüllen, fertig. Mein Kollege wollte noch raushandeln, dass sie das Öl wieder verwenden, aber das klappte nicht. 2 Stunden später sind wir Sonntag Nachmittag wieder vom Hof gerollt, 300 RMB für die Arbeitszeit und 350 RMB für das Öl. In China gibt es für viele keine Sonn- und Feiertage, eindeutig zu unserem Vorteil. Kurz gestockt hatte ich nur, als der Mechaniker ziemlich ratlos nach der Öleinfüllschraube gesucht hat: Laut Internet wird das Öl bei einem DSG von unten mit einem speziellen VW-Werkzeug eingefüllt, und man muss das Getriebe neu einlernen, damit es seine Gänge wiederfindet. Antwort auf meine Nachfrage: mei wenti! Irgendwie haben sie das Öl mit etwas Selbstgebastelten ins Getriebe bekommen, ein ehrwürdig aussehender Senior rührte anschliessend im Getriebe rum, und hat mir danach lächelnd die Schlüssel gegeben, ich solle probefahren. Das Getriebe hat bis zum Ende gehalten!

Neuer Anlauf wieder in die Berge, diesmal bin ich bei ein paar Schlaglöchern nochmal rückwärts gefahren, um mir einen besseren Weg zu suchen. Die Passstrasse geht bis 3.600 m hoch, an manchen Stellen fehlte sie zur Hälfte,, manchmal musste man in einer Kehre durch einen Bach, glücklicherweise kamen uns die Militärkonvois entgegen, Überholen von geschätzt 30 LKW wäre aussichtslos gewesen. Manchmal muss man auch um andere Autos rumfahren, die beim Ausweichen zu weit an den Rand gefahren sind: Da geht es meist 1 m runter, da liegt das Auto plötzlich unbeweglich schräg und der Grip fehlt. Ganz anders nach der Passhöhe: neue, breite Strasse, keine Löcher. War aber auch nötig, solche Strassenverhältnisse nerven, wenn man einfach nur weiter will, langsam wurde es spät und damit dunkel. Der Verkehr an sich ist schon fordernd genug, da geht das dauernde Einschätzen von Löchern an die Substanz.

Überhaupt ist die Bedeutung einer Strasse hier anders: in Deutschland baut man eine Strasse, damit Autos da langfahren können. Hier ist eine Strasse erstmal eine glatte, nicht matschige, saubere Fläche. Wer ein Haus baut, lagert dort seinen Sand oder seine Ziegel, Verkaufsstände stehen darauf gut und fest, Stühle für eine Unterhaltung auch. Ältere Leute aus den Häusern tragen ihr Geschirr oder ihren Müll über die Strasse an den Rand wie vor 20 Jahren. Sie freuen sich vermutlich, dass es nicht mehr matschig ist und haben nicht ganz verstanden, wozu da Querstriche sind, aber das Müll wegbringen geht jetzt viel besser. Wenn das alles auf der Strasse sortiert ist, kann man den verbleibenden Rest mit seinem Auto befahren! Also um die Strassenstände und das Baumaterial herum, und ja nicht die querende, ältere Dame übersehen.