29.04.2014 – auf nach Tagong

Mittwoch, 04.06.2014

Der Weg nach Tagong führt über einen 4.298 m hohen Pass, so hoch war ich mit einem Fahrzeug noch nie. Bevor ich über Tagong schreibe, müssen wir erstmal hinkommen. Diesmal ist nicht die Strasse das Problem, es ist einfach eine hochalpine Passstrasse mit Kehren etc, wie man sie aus der Schweiz kennt. Diesmal fordern der Schnee und die Chinesen (warum enden alle Stories immer beim Strassenverkehr?). Es schneit, und bei den Temperaturen um die 0°C gibt das nun mal Nassschnee. Jetzt kommt die Besonderheit: Ein paar unentwegte Kradfahrer fahren dauernd den Pass rauf und runter und verleihen Schneeketten! Für 50 bis 100 Kwai, je nachdem, wie verzweifelt man ausssieht, einschliesslich Montage! Eigentlich ein netter Service, Ketten leiht man in Österreich bei einem muffigen Typ im Dorf und muss sie auch noch selber draufmachen. Bloss brauch man die gar nicht, bei dem bisschen Nassschnee geht es auch ohne. Aber: das wissen die 25-jährigen Chinesinnen in ihren Porsche Cayenne und Land Cruisern nicht, die es auch dort gibt, also was tun sie? Das, was sie in der Stadt auch machen: einfach da, wo sie gerade sind, stehen bleiben und auf den Kettenmann warten! Sowohl für das Aufziehen wie die Demontage. Nun ist dieser Pass derzeit die einzig vernünftige Verkehrsverbindung aus dem Osten, d.h. es sind Unmengen an LKW, Bussen und PKW unterwegs, um von Chengdu nach Tibet zu fahren. Und so beginnt das für Westler nicht nachvollziehbare Theater: So ein Auto steht in der Mitte der Strasse, und keiner kommt dran vorbei. Sofort stauen sich die LKW ewig lang, ein paar hupen, aber sonst passiert nichts. Irgendwann wird es den PKW und Bussen zu dumm, und sie fahren auf der Gegenspur an den LKW vorbei nach vorne (da es das Spiel in beide Richtungen gibt, ist die Gegenspur immer phasenweise frei!). Das geht so lange gut, bis die nächsten LKW entgegenkommen, und dann – ist Schluss! Denn rechts stehen lückenlos die LKW, von vorne der Gegenverkehr, Ausweichen ist nicht. Und dann wird wieder hupend gewartet, bis auch der Cayenne mit den Ketten weiterfährt und sich das ganze langsam nach vorne auflöst. Und schon geht es 500 m weiter den Berg hoch, dann beginnt das Spiel von vorn. Wir haben 3 Stunden gebraucht, um da drüber zu fahren. An einer Stelle wären wir beinahe auf einer Eisplatte hängengeblieben, nicht weil es so schwierig war, sondern weil die Jungs mit dem ADAC-Schneeketten-Moped die freie Spur blockiert hatten, sie wollten halt was verkaufen. Toll war die Passhöhe, s. Fotos, auf der Höhe im Schnee zwischen den tibetischen Gebetsfahnen, wow! Ohne wär’s ja nur ein Pass mit dem üblichen Passhöhengedrängel, so ist es schon klasse.

 

Um Tagong zu finden, muss man bei Google Maps schon ein bisschen zoomen, bis es auftaucht. Es hat mich beeindruckt, es ist ohne Frage einer der interessantesten Orte, an denen ich bisher in China war: auf 3.500 m liegt es in einer Graslandebene. Alles ist schon sehr tibetisch, die Menschen ähneln Indianern sehr viel mehr als Chinesen, denen sehen sie nämlich gar nicht gleich. Mandarin ist nicht mehr die Vorzugssprache, es ist eine andere Welt. Eins unserer Mädels ist erstmal auf der Strasse umgekippt, Ergebnis von Höhe und wenig trinken, so dass wir sofort die Attraktion im Dorf waren. Sie wollten uns sofort zum Arzt begleiten und fanden es wohl etwas merkwürdig, dass wir mit so einem bleichen Kind in einem Hauseingang sitzen und versuchen, der Situation mit Sprite Herr zu werden. Vielleicht hätten wir doch mit zum Medizinmann gehen sollen, wären sicher tolle Fotos geworden. In einem Blog habe ich gelesen, dass die Männer dort erst vor einiger Zeit aufgehört haben, ihre Schwerter offen zu tragen. Das glaube ich sofort. Es gibt noch Pferde und Esel als Lastentiere, Kinder werden getragen, die Häuser sehen aus wie aus einem Dokumentarfilm. Dazu die Grassteppe und aussenrum die schneebedeckten Berge über 4.000 m hoch, eine tolle Gegend. Wir müssen weiter nach Danba, die Fahrt geht noch ein ganzes Stück die Ebene entlang, übrigens wieder auf Strassen mit Löchern, an vielen Tempeln und eben den typisch tibetischen Häusern vorbei. Ich konnte mich gar nicht sattsehen. Wir hatten leider nur die Zeit, da durchzufahren, ich hoffe, ich komme da nochmal hin, mit dem Fahrrad vielleicht.